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Vampir-Legende

Vampir-Legende

Titel: Vampir-Legende
Autoren: Jason Dark
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er die scharfe Kante über seinen Handballen zog.
    Er greinte, als er sah, daß kein Blut sprudelte. »Bruder, ich bin leer, ich bin verbraucht, Bruder. Ich brauche frisches Blut.« Er schaute auf seinen linken Handballen, sah dort den Schnitt und die wenigen Tropfen, die aus ihm hervorgequollen waren. Sie lagen dort wie Perlen, und er beugte seinen Kopf vor, ließ die Zunge aus dem Mund schnellen und leckte mit blitzschnellen Bewegungen die Perlen weg.
    Dann lachte er schrill auf, packte die Tischdecke und zerrte sie mit einer heftigen Bewegung vom Tisch. Er schleuderte sie durch den Raum, es war ihm dabei egal, ob die Kerzen noch brannten. Die Leuchter waren gefallen, das Feuer gierte nach Nahrung, es huschte über den Boden, als wollte es dort die Teppiche anmalen.
    Igor stand auf und trat die Flammen aus, während sein Bruder die Hände vor das Gesicht schlug und darüber jammerte, daß er so unglücklich wäre. Er sank dabei auf die Knie, weinte, winselte wie ein Tier, bevor er sich umdrehte, weil er gespürt hatte, daß Igor neben ihm stand.
    Er hob den Blick, der Mund war verzerrt. Blut vom Handgelenk klebte noch an den Lippen und ließ sie aussehen wie eine verschmierte Wunde.
    »Steh auf, Bruder!«
    Jacques schüttelte den Kopf.
    »Du mußt!«
    »Ich bin so unglücklich!« stammelte er. »Ich will Blut, ich will Blut. Es ist so herrlich, es beschert mir den Rausch der Sinne. Ich brauche es für mich…«
    »Ich auch, Bruder.«
    Jacques hatte die Hand noch nicht genommen. Er kniete, umklammerte Igors Beine, preßte seine Stirn gegen die Knie und keuchte.
    Igor verdrehte die Augen. Es stimmte, Jacques brauchte Blut. Aber nicht nur er, auch Igor wollte trinken, die Süße spüren und die Kraft, die ihn nach dem Trank durchströmte.
    Hier lebte kein Mensch mehr. Sie waren allein in diesem herrlichen Haus. Es gehörte ihnen, sie hatten gedacht, hier immer bleiben zu können, aber der Krieg war schneller, und deshalb mußten sie etwas tun und nicht nur jammern.
    Das wußten beide, aber nur Igor war stark genug, um auch handeln zu können. Sein Bruder umklammerte ihn noch immer. Er war der Schönere und stets der Liebling der Damen gewesen, aber er war auch der wenig pragmatische, er lebte zu stark von seinen Gefühlen und nicht von seinen Handlungen.
    »Komm und steh auf.«
    Jacques hob nur den Kopf. »Warum?«
    »Wir werden gehen.«
    »Was?«
    »Ja, wir verlassen dieses Haus. Wir werden hier nicht sterben oder vergehen. Wir werden in die Welt hineingehen und dort andere Opfer finden…«
    »Aber unser Haus, unser herrliches Haus…«
    »Vergiß es!«
    »Ich kann nicht, ich…«
    Ein mächtiger Donnerschlag riß Jacques die weiteren Worte von den Lippen. Er zuckte zusammen, starrte zu Boden, doch Igor drehte den Kopf und schaute aus dem Fenster.
    Die Nacht hatte ihre Klarheit verloren. Eine gewaltige Staubwolke hüllte den Garten ein, in der sich Blätter und Zweige bewegten, denn der Einschlag der Kanonenkugel hatte eine tiefe Wunde in die Natur gerissen.
    Die Soldaten waren nah, sehr nah. Sie trafen auf keinen Widerstand mehr. Sie schössen nur in die Gegend hinein, weil sie zerstören wollten.
    Sie waren die Sieger, und dies sollte überall zu sehen sein. Eine Spur aus Tod und Feuer blieb hinter ihnen zurück, das Grauen war einfach nicht zu stoppen.
    »Wir müssen fliehen! Sie sind da!« Igor spürte, daß es Zeit wurde, und er zerrte seinen Bruder in die Höhe.
    Jacques lachte. Er schüttelte den Kopf. Wie trunken schlenderte er neben Igor her. Er glich einer Marionette, bei der einige Fäden abgetrennt worden waren, so daß die Bewegungen ihre Gleichmäßigkeit verloren hatten. Vielleicht bewegten sich betrunkene Sänger ebenfalls so, wenn sie sich vor ihrem Publikum verbeugen wollten.
    Beide stolperten über die Schwelle und gelangten in die Halle hinein. Der helle Parkettboden schimmerte im Licht der Kerzen. Jacques fing wieder an zu lachen, bevor er sich im Walzertakt durch den großen Raum drehte, vorbei an den mit weißen Kerzen bestückten, auf dem Boden stehenden Leuchtern. Das Gesicht des Vampirs war verklärt, die Augen verdreht. Es war ihm anzusehen, daß sich seine Gedanken in anderen Sphären befanden und er die Realität verdrängt hatte.
    Das große Portal war verschlossen. Gemessenen Schrittes bewegte sich Igor darauf zu. Kurz bevor er sie erreichte, wandte er sich nach rechts und drückte eine schmalere Tür auf. Eine Garderobe befand sich dahinter. Hier legten die Gäste ihre Kleidung ab,
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