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Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)

Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)

Titel: Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)
Autoren: Marc Fitten
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sicher. Stimmt’s nicht? Sie wäre besser gewesen als alle unsere Ehefrauen.«
    Die anderen alten Männer nickten. Sie lächelten durchtrieben und leckten sich die Lippen.
    »Diese Hüften«, rief jemand.
    »Und ihr Busen – wie bei einer fetten Taube«, rief ein anderer.
    »Das reicht, Großvater, also wirklich, wie kannst du so über Großmutter sprechen?«
    Die alten Männer zuckten die Achseln. »Ich sag nur die Wahrheit. Was glaubst du, warum die Frauen sie so hassen? Warum haben sie zugelassen, dass sie all die Jahre geächtet worden ist? So unschuldig sind sie nicht, glaub mir. Sie wollen es nicht anders. Valeria war ein Feuerwerk, und das wissen sie. Sieh sie dir heute an – das Feuerwerk ist immer noch da, es ist nur unterdrückt, das macht sie weniger gefährlich. Ich sag dir eins, mein Junge, und ich bin ehrlich mit dir. Wäre ich eines Tages auf dem Feld gewesen und Valeria hätte mich zu der Pappel gerufen, unter der sie immerim Schatten saß und Lieder sang – doch, das stimmt, sie hat früher im Schatten der Pappel gesungen. Aber keine italienischen Lieder. Ich schwör dir, wenn diese Frau mit dem großen Busen mir jemals ein Zeichen gegeben hätt, dass ich die Mistgabel weglegen   … meine Frau und die Kinder verlassen   … mir die Beine abschlagen soll   … Ich sag dir, dann wärst du heute sicher nicht hier, so sicher, wie deine heiß geliebte Großmutter ein zänkisches Großmaul ist. Ich hätt deine liebe Großmama verlassen und deinen ungeborenen Vater ebenfalls. Für einen einzigen Tag mit Valeria unter den Pappeln hätt ich sie alle verfaulen lassen.«
    Die Enkel schüttelten die Köpfe und stürmten entweder davon oder blickten sich Hilfe suchend um. Aber ihre Großväter erzählten weiter.
    »Und noch jahrelang danach«, sagten die alten Männer zum Schluss, »noch Jahre danach hat die Familie des Jungen versucht, sie zu beschwichtigen und dazu zu bringen, dass sie ihnen half, ihren Jungen freizubekommen. Selbst als das Regime auf Hochtouren lief und die Metzger jedes Knorpelscheibchen abzählten, schenkten sie ihr Schweinefleischstücke. Gratisstücke! Sie gaben ihr sogar Haxen für ihre Hunde. Nichts kam heraus. Schau ihr nur zu, wenn du sie mal beim Metzger siehst. Bis heute ist sie zur ganzen Familie eiskalt, bis runter zu dem dicken Kleinkind, das immer in der Kühlkammer spielt.
    Wenn sie sie anlächelten, sagte sie, sie sollten das lassen. Als ein Verwandter von ihnen auf der Jagd einmal einen Fallschirm und eine Lattenkiste fand, in der U S-Dollars waren und Sägespäne, Gewehre und Steaks, war Valeria die erste, der der Metzger Fleisch anbot. Sie lehnte es ab und schickte den Behörden in Budapest einen Brief   … so, mein lieber Junge, ergeht es einem Mann, in den Valeria sich verliebt. Ich wäre zu gern an seiner Stelle gewesen.«

II
     
    U nzählige Fahrräder standen auf dem leeren Platz neben dem Markt. Außer Unkraut und Gestrüpp wuchs dort kein Grün mehr, der Erdboden war gefurcht und uneben. Sich dort sicheren Fußes einen Weg zu bahnen, wenn man über fünfzig war, war normalerweise eine Herausforderung. Wer betrunken war oder verliebt wie Valeria, musste aufpassen, dass er nicht hinfiel und in eine Pfütze plumpste. Der Töpfer war eine Ausnahme: Er schritt behutsam zwischen den Pfützen und Grasnarben bis zu seinem Rad, schloss es auf und zog es heraus. Er stieg auf, und als er gerade fortradeln wollte, blickte er auf und sah Valeria direkt vor ihm stehen. Wieder trafen sich ihre Blicke, und er hielt an und versuchte zu lächeln.
    »Ja, meine Liebe? Kann ich etwas für Sie tun?«, sagte er.
    Valeria murmelte etwas.
    »Entschuldigen Sie, ich hab Sie nicht verstanden.«
    »Einen Krug. Ich möchte einen Krug machen lassen«, sagte sie. »Ich hab gehofft, Sie könnten mir etwas Besonderes machen.«
    »Ach so, ja, das geht«, antwortete er. »Ich hab ein paar in der Werkstatt. Kommen Sie doch heute Nachmittag vorbei! Dann können Sie sich einen aussuchen.«
    Valeria nickte und gab den Weg frei, wobei sie mit demrechten Fuß in eine Pfütze trat. Normalerweise hätte sie geflucht, aber der Töpfer ging gerade an ihr vorbei. Er lächelte, zog den Hut vor ihr und fuhr davon. Er drehte sich sogar nach ihr um und lächelte sie noch einmal an. Valeria spürte, wie ihr Herz raste. Sie wagte nicht, sich von der Stelle zu rühren. Dass das Wasser in ihren Schuh drang und ihren Strumpf ruinierte, störte sie nicht. Er hatte nichts gemerkt und sie wollte nicht, dass er
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