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Urmels toller Traum

Urmels toller Traum

Titel: Urmels toller Traum
Autoren: Max Kruse
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öfföff«, stotterte die Hofmarschallin. Ihre Schärpe war
verrutscht, die feine Schleife saß jetzt genau unter dem Po. Sie weinte fast:
»Seele-Fant ist doch niemals ein erfahrener Kutscher, wo er immer nur im Meer
gelebt hat, öfföff. Sollte nicht lieber ein anderer die Zügel nehmen? Zum Beispiel
Herr Mö. Zu ihm hätte ich Vertrauen.« Sie bedachte ihn mit einem warmen Blick,
was er mit einem ruppigen »Möm« beantwortete.
    Freilich wäre es gar nicht
möglich gewesen, den Kutscher auszuwechseln, denn die Fahrt ging unaufhörlich
weiter. Bäume, Büsche, sogar Gebirge flogen am Fenster vorbei, die man noch nie
auf Titiwu gesehen hatte. Die Federn des Wagens ächzten gar grausig. Das
Gefährt schwankte wie ein Schiff im Orkan. Aber die Pferde waren unbeirrbar.
Gnadenlos stürmten sie voran. Noch mehrmals ging es um enge Kurven, an
Schwindel erregenden Abhängen vorbei, dann in ein tiefes Tal, doch endlich
stand die Kutsche still. Wo?
    Vor dem Eingang zur
unterirdischen Höhle. Er sah aus wie ein reich geschmücktes Kirchenportal.
    Tim Tintenklecks war
verschwunden, kein Reiter saß auf dem Schimmel. Die Rücken der Tiere glänzten
schweißnass.
    »Wör sönd angökommön«, stellte
der Kutscher Seele-Fant zutreffend und zugleich erleichtert fest.
    Die beiden Mitfahrer auf dem
Rückbrett, Schusch und Babu, sprangen herab. Sie öffneten die Kutschenschläge
auf beiden Seiten. Die Hochzeitsgesellschaft, samt Bräutigam und Braut, quoll
rechts und links heraus. Man brauchte einige Zeit, um sich zu sammeln, die
Kleidung zu ordnen und glatt zu streichen.
    Da klang aus dem Inneren der
Höhle ein feierlicher Choral. Tim Tintenklecks saß an der berühmten
Höhlenorgel. Sie tönte aber ganz anders als jemals zu anderen, früheren Zeiten.
Seine Majestät Urmel-König reichte Wawa-Braut die Hand und Wawa-Braut stützte
sich auf Wutz’ Rücken. So schritten sie gemessen und zu dritt nebeneinander in
die Höhle. Die war ein wunderbarer Dom.
    Ping Pinguin und Schusch nahmen
je einen rechten und linken Zipfel von Wawa-Brauts Schleier in die Schnäbel. So
trugen sie ihm die Schleppe.
    »Lächle, öfföff«, grunzte Wutz
der unglücklichen, verkleideten Braut zu. Wawa rollte nur die Augen und bemühte
sich, die Zähne zu zeigen.
    Der Professor, Direktor Doktor
Zwengelmann, König Futsch nebst Gemahlin, Herr Mö und Babu folgten dem Zug. Als
Abschluss robbten Seele-Fant und Albi hinterdrein.
    In der Mitte des Höhlendomes
leuchtete der See wie illuminiert. Er überstrahlte die Säulen aus Tropfsteinen
mit schillerndem Licht.
    Doch auf dem Felsen in seiner
Mitte hockte die Krabbe. Sie starrte unglücklich, vielleicht sogar böse.
Urmel-König erschrak bei ihrem Anblick und murmelte: »Ach herrje, ich fürchte,
wir haben vergessen, sie einzuladen. Hoffentlich bringt das kein Unglück. Aber
eine böse Fee, wie im Dornröschen-Märchen, wird die Krabbe ja wohl nicht sein.«
    Bei diesem kurzen Gedankengemurmel
blieb es.



Neunzehntes
Kapitel
In
dem das Urmel träumt,
wie
es getraut wird
und
Wutz das Festmahl vergessen hat

    Jetzt wurden alle Augen, alle
Gedanken und jedermanns Aufmerksamkeit wie magisch vom Altar angezogen. Gleich
einem roten, unbehauenen Stein stand er hinter dem unterirdischen See und
wirkte sehr künstlerisch. Kerzen in vielarmigen Leuchtern, die sich emporwanden
wie Schlangenleiber, brannten darauf. Und sein Standort direkt am Wasser war
sehr praktisch für denjenigen gewählt, der die Trauung vollziehen sollte: Onkel
Pitsch. Der Homo-Saurier mit seiner Kette aus Sumpf- und Unterwasserpflanzen
brauchte so das nasse Element nicht zu verlassen, während Brautleute und
Hochzeitsgäste doch im Trockenen standen.
    Ungeheuer ließ da Tim Tintenklecks
die Höhlenorgel brausen und jubilieren. Dem Professor erschien das seltsam,
hatte er doch noch niemals bei diesem von der Natur gebildeten Instrument
Tasten, Register, Orgelpfeifen oder Blasebälge gesehen. Waren sie hinter
Pfeilern, Brüstungen oder der Empore versteckt?
    Nun trat das Hohe Paar vor den
Altar. Wawa-Braut legte seine Vorderpfote auf die Steinplatte, um sich zu
stützen. Jetzt brauchte er den Rücken von Wutz nicht mehr dazu und diese zog
sich zurück und zwängte sich zwischen die anderen Gäste. Alsbald war sie direkt
neben Herrn Mö zu erblicken. Sie schaute ihn so hold und aufmunternd, so
anzüglich und bedeutungsvoll aus den Augenwinkeln an, dass es dem
Stumpfsinnigsten auffallen musste. Sie dachte sich wohl: Wäre es nicht schön,
wenn wir zwei
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