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Unwiderstehliches Verlangen

Titel: Unwiderstehliches Verlangen
Autoren: Jude Deveraux
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Nachbarn hießen, nirgendwo konnte man Wurzeln schlagen. Doch in einem bestimmten Jahr hatten wir ein kleines Haus mit einer sehr hübschen Küche gemietet. Ich nahm mir vor, ihm zum Thanksgiving Day ein wunderbares Essen zu kochen. Zwei Wochen sprach ich über nichts anderes. Ich machte Pläne, kaufte alle Zutaten ein, und am Thanksgiving Day stand ich um vier Uhr morgens auf und begann mit der Zubereitung des Truthahns. Charley ging gegen Mittag aus dem Haus, versprach aber, um fünf nachmittags zurück zu sein, wenn das Essen fertig sein würde. Er wollte noch ein paar andere Piloten vom Flugplatz mitbringen. Es sollte eine richtige Party werden. Es wurde fünf, aber kein Charley kam. Es wurde sechs, dann sieben. Um Mitternacht war ich so wütend, daß ich alles um mich vergaß und einschlief. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, lag Charley schnarchend auf dem Sofa, und mein schönes Thanksgiving-Dinner hatte ich umsonst zubereitet. Wissen Sie, was ich da gemacht habe?«
    »Was es auch sein mag, ich bin überrascht, daß Charley das überlebt hat.«
    »Er hätte es verdient, umgebracht zu werden, aber ich gedachte, ihm etwas noch Schlimmeres anzutun. Er sollte nichts von meinem Festmahl abbekommen. Ich packte das Essen in kleine Beutel, fuhr zum Flugplatz, stieg in Charleys Maschine und flog in die Berge —,es waren die Smokies, denn wir lebten damals in West-Virginia. An einem Abhang sah ich ein ziemlich heruntergekommenes Häuschen stehen, aus dessen Schornstein ein kläglicher Rauchfaden aufstieg. Und da habe ich die Beutel abgeworfen. Sie landeten praktisch auf der Veranda.«
    Sie zog die Knie an die Brust und seufzte. »Bis heute habe ich das noch keinem Menschen erzählt. Später hörte ich, daß die Familie, die in dem Häuschen wohnte, überall rumerzählt hat, ein Engel hätte ihnen das Essen aus dem Himmel herabgeworfen.«
    Er hatte inzwischen das Feuer in Gang gebracht und schaute sie darüber hinweg lächelnd an. »Die Geschichte gefällt mir. Was hat Charley gesagt, als er keinen Truthahn bekam?«
    Sie zuckte die Achseln. »Charley war zufrieden, wenn er Truthahn bekam, und er war auch zufrieden, wenn es nur Bohnen gab. Was das Essen anging, war für Charley nur die Menge entscheidend, nicht die Qualität.« Sie sah zu William hoch. »Was ist das Schlimmste, was Ihnen je passiert ist?«
    William antwortete, ohne nachzudenken: »Als reicher Junge geboren zu sein.«
    Jackie stieß einen leisen Pfiff aus. »Man sollte doch meinen, das sei das Beste gewesen, was Ihnen passieren konnte.«
    »Stimmt. Es ist das Beste und das Schlimmste.«
    »Ich glaube, ich weiß, was Sie meinen.« Sie dachte noch darüber nach, als William aus einer Feldflasche Wasser auf ein Taschentuch goß und die Platzwunde an ihrer Schläfe säuberte, wobei er mit der freien Hand ihr Kinn festhielt.
    »Was ist Ihr tiefstes, dunkelstes Geheimnis, das Sie noch nie einem Menschen mitgeteilt haben?« fragte er.
    »Wenn ich Ihnen das sagte, dann wäre es kein Geheimnis mehr.«
    »Glauben Sie, ich würde es weitererzählen?«
    Sie drehte den Kopf und sah zu ihm hoch. Das Feuer warf Licht und Schatten auf seinen gutaussehenden Kopf: dunkles Haar, dunkle Augen, gebräunter Teint, die lange Montgomery-Nase. Vielleicht waren es die ungewöhnlichen Umstände, die dunkle Nacht, das Lagerfeuer — jedenfalls fühlte sie sich ihm nahe. »Während meiner Ehe mit Charley habe ich einmal einen anderen Mann geküßt«, sagte sie flüsternd.
    »Das ist alles?«
    »Für mich ist das ziemlich schlimm. Und wie steht es mit Ihnen?«
    »Ich habe mal einen Vertrag nicht eingehalten.«
    »War das wirklich schlimm? Vielleicht hatten Sie Ihre Meinung geändert...«
    »Es war ein gebrochenes Heiratsversprechen, und sie hielt es für sehr schlimm.«
    »Ach, so ist das«, sagte Jackie lächelnd und schlang die Arme um die Knie. »Was essen Sie am liebsten?«
    »Eiskrem.«
    Sie lachte. »Ich auch. Und Ihre Lieblingsfarbe?«
    »Blau. Und Ihre?«
    Sie sah ihn an. »Blau.«
    Das Feuer brannte jetzt so gut, daß er sich die Hände abwischen und neben ihr Platz nehmen konnte. Jackie schauerte in der kühlen Bergluft, was nur zu verständlich war. Er legte ihr den Arm um die Schultern und zog sie an sich. »Sie haben doch nichts dagegen?«
    Jackie brachte keinen Ton heraus. Es tat gut, wieder mal den Körper eines anderen Menschen zu spüren. Charley war immer liebevoll und zum Schmusen aufgelegt gewesen. Oft hatte sie bei ihm auf dem Schoß gesessen und sich in seine
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