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Untitled

Untitled

Titel: Untitled
Autoren: Unknown Author
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Sozialsiedlungen kam, waren manche Reporter meine Kumpel gewesen. Ich war ein Liebling der Presse. Über mich war sogar in der Sonntagsbeilage der Washington Post berichtet worden. Wieder einmal sprach ich über die Mordquote an Schwarzen in D.C. Im letzten Jahr waren in unserer Hauptstadt fast fünfhundert Menschen ermordet worden. Nur achtzehn Opfer waren weiß. Zwei Reporter machten sich darüber sogar eine Notiz. Toller Fortschritt.
    Ich nahm den Hörer von einem jungen, klugen Detective entgegen, Rakeem Powel. Geistesabwesend spielte ich mit einem kleinen Basketball, der Mustaf gehört haben mußte, dabei bekam ich ein seltsames Gefühl. Warum war ein schöner kleiner Junge auf diese Weise ermordet worden? Mir fiel keine Antwort ein. Jedenfalls noch nicht.
    »Es ist der Jefe, der Chef.« Rakeem runzelte die Stirn. »Er macht sich Sorgen.«
    »Hier ist Cross«, sagte ich in das Telefon der Sanders'. Mir drehte sich immer noch der Kopf. Ich wollte das Gespräch schnell hinter mich bringen.
    Die Sprechmuschel roch nach billigem Moschusparfum. Poos oder Suzettes Duftwasser, vielleicht das beider. Auf einem Tisch neben dem Telefon standen in einem herzförmigen Rahmen Fotos von Mustaf. Erinnerte mich an meine Kinder.
    »Hier ist Chief Pittman. Wie ist die Lage bei euch?«
    »Ich glaube, es ist ein Serienmörder. Mutter, Tochter, kleiner Junge. Die zweite Familie in weniger als einer Woche. Der Strom im Haus war abgestellt. Er arbeitet gern im Dunkeln.« Ich ratterte ein paar blutige Einzelheiten herunter. Normalerweise reichte das Pittman. Der Chief würde mich bei diesem Fall in Ruhe lassen. Morde im Südosten bedeuten in einem größeren Zusammenhang nicht viel.
    Ein paar Takte befangenen Schweigens folgten. Ich konnte den Christbaum der Sanders' im Fernsehzimmer sehen. Er war mit unverkennbarer Sorgfalt geschmückt worden: Lametta, glänzender Schmuck aus dem Billigladen, Girlanden aus Preiselbeeren und Popcorn. Auf der Spitze thronte ein selbstgebastelter Rauschgoldengel.
    »Ich hab' gehört, ein Dealer ist umgelegt worden. Ein Dealer und zwei Prostituierte«, sagte der Jefe.
    »Nein, das stimmt nicht«, sagte ich zu Pittman. »Sie haben einen hübschen Christbaum.«
    »Klar doch. Verscheißern Sie mich nicht, Alex. Nicht heute. Nicht jetzt.«
    Falls er versuchte, mich auf die Palme zu bringen, gelang ihm das. »Ein Opfer ist ein dreijähriger Junge im Schlafanzug. Vielleicht hat er gedealt. Ich werd's mal nachprüfen.«
    Das hätte ich nicht sagen sollen. Ich hätte eine Menge nicht sagen sollen. In letzter Zeit hatte ich das Gefühl, gleich zu explodieren. In letzter Zeit heißt, seit etwa drei Jahren.
    »Sie und John Sampson fahren schleunigst zur Georgetown >
    Tagesschule«, sagte Pittman. »Dort ist die Hölle losgebrochen. Im Ernst.«
    »Ich meine es auch ernst«, sagte ich zum Chef der Kriminalpolizei. Ich versuchte, die Stimme gedämpft zu halten. »Ich bin mir sicher, daß das ein Serienmörder ist. Hier sieht es schlimm aus. Die Leute weinen auf der Straße. Es ist kurz vor Weihnachten.«
    Chief Pittman befahl uns trotzdem, zu der Schule in Georgetown zu fahren. Die Hölle sei losgebrochen, wiederholte er.
    Ehe ich zur Georgetown-Tagesschule fuhr, rief ich die Abteilung für Serienmorde in unserer Dienststelle an, dann die »Supereinheit« des FBI in Quantico. Das FBI hat Computerdaten über alle bekannten Fälle von Serienmord, dazu psychiatrische Erkenntnisse über unzählige unveröffentlichte Einzelheiten bei Serienmorden. Ich suchte nach dem passenden Alter und Geschlecht und nach ins Bild passenden Verstümmelungen.
    Einer von der Spurensicherung gab mir einen Bericht zum Unterschreiben, als ich das Haus der Sanders' verließ. Ich unterschrieb wie immer – mit einem +.
    Cross .
    Ein harter Typ aus einem harten Stadtteil, stimmt.

    6. Kapitel
     
    Die Privatschule wirkte auf Sampson und mich etwas
    einschüchternd. Das war ein gewaltiger Unterschied zu den Schulen und Menschen im Südosten.
    In der Eingangshalle der Georgetown-Tagesschule waren wir zwei von ganz wenigen Schwarzen. Ich hatte gehört, daß angeblich auch Afrikaner, Kinder von Diplomaten, die Privatschule besuchten, sah aber keine. Nur Grüppchen aus schockierten Lehrern, Kindern, Eltern, Polizisten. Auf dem Rasen vor der Schule und in der Eingangshalle weinten die Menschen unverhohlen.
    Zwei Kinder, zwei kleine Engel, waren aus einer der prestigeträchtigsten Privatschulen Washingtons entfuhrt worden. Ich begriff, daß es für alle
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