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Unternehmen Wahnsinn

Unternehmen Wahnsinn

Titel: Unternehmen Wahnsinn
Autoren: Theresia Volk
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Gerade um er-messen zu können, welches Tun angemessen ist. Das kann dem Einzelnen niemand abnehmen.
    Und zweitens: Dieses Fokussieren auf das eigene Referenz-
system klingt nur egozentrisch, ist es aber nicht, wie uns unter anderem der Großdenker Arthur Schopenhauer erklärt: »Der Mensch kann zwar tun, was er will. Er kann aber nicht wollen, was er will.« Was nichts anderes bedeutet als: Es liegt nicht in unserer Macht und Entscheidung, was wir als Ziel ansteuern. Uns kann höchstens gelingen, es zu entdecken.
    Für alle, die sich schon immer schwer getan haben, genau zu sagen, welche Lebensziele sie verfolgen, gibt es also Trost: Man kann sich diese Ziele nicht backen, sondern muss sie finden. Und für alle, die immer ganz genau wissen, was sie wollen, gibt es eine Warnung: Es könnte sich bei der Zielgewissheit um eine Täuschung handeln, die die nächste Krise nicht übersteht; möglicherweise kennen sie sich selber noch viel zu wenig. Denn, so Harry G. Frankfurt: »Manchmal entdeckt eine Person etwas in sich, das ihr nicht nur merkwürdig abgelöst von ihr selbst erscheint, sondern in einem beunruhigenden Gegensatz zu ihren Absichten und ihrem Selbstverständnis steht.«
    Das eigene Selbstverständnis setzt sich nun mal gerne aus Sollmaterialien zusammen. Aber die Frage nach unseren tiefsten Motiven und unseren höchsten Bestrebungen ist kein Wunschkonzert, sondern ein Faktum. Wodurch wird etwas wirklich wichtig für uns? Das entscheiden wir nicht, das schlussfolgern wir nicht, sondern dem gilt es auf die Spur zu kommen.
    Die Suche nach dem Schaffensgrund
    Frankfurt kreist es folgendermaßen ein: Das, was uns wirklich wichtig ist, darum sorgen wir uns. Das, worum wir uns wirklich sorgen – ohne dass wir das verhindern könnten –, das sind unsere Endzwecke. Und diese Endzwecke werden von der Liebe bereitgestellt und legitimiert. Liebe ist für ihn weder primär ein Gefühl noch eine rationale Schlussfolgerung, sondern in erster Linie ein Wollen, das einen Modus des sich Sorgens anstößt. Liebe braucht also keine Gründe, Liebe schafft Gründe. Wir haben, so Frankfurt, keine Wahl, als uns ihren Forderungen (die uns zum Teil ja nicht unwesentlich einschränken) zu beugen. Lieben können wir nahezu alles: »Ein bestimmtes Leben, eine Erfahrungsqualität, eine Person, eine Gruppe, eine moralische Gemeinschaft, ein nichtmoralisches Ideal, eine Tradition, was auch immer.« Die Liebe ist es, die unser Wollen prägt und dann unseren Verstand ans Entscheiden schickt, nicht umgekehrt. Das mag entlasten oder frustrieren, auf jeden Fall hat es Konsequenzen. »Um uns selbst lenken zu können, müssen wir uns von uns selbst lenken lassen.« 100 Unsere Handlungen sind Einlassungen. Ich lasse mich auf etwas ein. Letztendlich auf mich selber. Und das bedeutet auch auf all die Widersprüchlichkeiten, die sich in mir auftun. Wer nicht einen Teil von sich radikal abspaltet (sofern ihm das überhaupt gelingt), kann nur mit seinen inneren Konflikten leben, so es sie nun einmal gibt.
    Es gibt keine höhere Autorität, an die wir uns wenden könnten, um zu verstehen, was wir wollen oder tun sollen, »als die von uns bejahten Notwendigkeiten unserer eigenen Natur«. Um diese Autorität akzeptieren zu können, um das Einverständnis mit uns selbst zu erlangen, müssen wir sie natürlich erst einmal kennenlernen. In dem Maße, in dem uns das gelingt, können wir unsere Ziele identifizieren. Es handelt sich hier wirklich um eine Suchbewegung und nicht um eine Zielsetzung, wie uns diverse Lebensratgeber gerne weismachen wollen. Mitnichten können wir uns frei ausdenken, was wir uns zutiefst wünschen.
    Künstler scheinen mit dieser Wahrheit etwas vertrauter zu sein. Franz Marc formuliert sie so: »Schwer und wichtig ist nur das Eine: den Schaffensgrund in sich zu finden.« Nur so gelingt ein Werk. Nur von dort aus – von den entdeckten und bewusst gewordenen Schaffensgründen – ergeben sich unsere entscheidenden Messgrößen. Aus diesen folgen unsere praktischen Vernunfts- und unsere Ermessensentscheidungen: Sie begründen unsere Kreativität.
    Liebe vs. »Chacka!«
    Wer sich seiner Schaffensgründe (oder: seiner tiefsten Zuneigung) nicht bewusst ist, den trägt kein Selbst-Bewusstsein, der trägt lediglich eine Selbst-Behauptung vor sich her. Der »Chacka!«-Typ ist manipulierbar und anfällig für Wunschvorstellungen, die er gern die seinen nennt, die aber nicht seine eigenen sind. Das führt zu Verwirrung, Zerrissenheit und
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