Unterm Rad
du mir's. Und bei der Arbeit kümmerst du dich um gar nichts, als was dir gesagt wird. Gedanken braucht ein Lehrling nicht zu haben.«
Hans begann zu feilen.
»Halt!« rief der Meister. »Nicht so. Die linke Hand wird so auf die Feile gelegt. Oder bist du ein Linkser?«
»Nein.«
»Also gut. 's wird schon gehen.«
Er ging weg an seinen Schraubstock, den ersten bei der Türe, und Hans sah zu, wie er
zurechtkam.
Bei den ersten Strichen wunderte er sich, daß das Zeug so weich war und so leicht abging. Dann sah er, daß das nur die oberste spröde Gußrinde war, die lose abblätterte, und daß darunter erst das körnige Eisen saß, das er glätten sollte. Er nahm sich zusammen und arbeitete eifrig fort. Seit seinen spielerischen Knabenbasteleien hatte er nie das Vergnügen gekostet, unter seinen Händen etwas Sichtbares und Brauchbares entstehen zu sehen. : »Langsamer!« rief der Meister herüber. »Beim Feilen muß man Takt halten - eins zwei, eins zwei. Und draufdrücken, sonst geht die Feile kaputt.«
Da hatte der älteste Geselle etwas an der Drehbank zu tun, und Hans konnte sich nicht
enthalten, hinüberzuschielen. Ein Stahlzapfen wurde in die Scheibe gespannt, der Riemen übersetzt, und blinkend surrte der Zapfen, sich hastig drehend, indessen der Geselle einen haardünnen, glänzenden Span davon abnahm.
Und überall lagen Werkzeuge, Stücke von Eisen, Stahl und Messing, halbfertige Arbeiten, blanke Rädchen, Meißel und Bohrer, Drehstähle und Ahlen von jeder Form, neben der Esse hingen
Hämmer und Setzhämmer, Amboßaufsätze, Zangen und Lötkolben, die Wand entlang Reihen von Feilen und Fräsen, auf den Borden lagen öllappen, kleine Besen, Schmirgelfeilen, Eisensägen und standen Ölkannen, Säureflaschen, Nägel- und Schraubenkistchen herum. Jeden Augenblick wurde der Schleifstein benützt. Mit Genugtuung nahm Hans wahr, daß seine Hände schon ganz schwarz waren, und hoffte, es möchte auch sein Anzug bald gebrauchter aussehen, der sich jetzt noch neben den schwarzen und geflickten Monturen der anderen lächerlich neu und blau ausnahm.
Wie der Vormittag vorschritt, kam auch von außen noch Leben in die Werkstatt. Es kamen
Arbeiter aus der benachbarten Maschinenstrickerei, um kleine Maschinenteile schleifen oder reparieren zu lassen. Es kam ein Bauersmann, fragte nach seiner Waschmange, die zum Flicken da war, und fluchte lästerlich, als er hörte, sie sei noch nicht fertig. Dann kam ein eleganter Fabrikbesitzer, mit dem der Meister in einem Nebenraum verhandelte.
Daneben und dazwischen arbeiteten Menschen, Räder und Riemen gleichmäßig fort, und so
vernahm und verstand Hans zum erstenmal in seinem Leben den Hymnus der Arbeit, der
wenigstens für den Anfänger etwas Ergreifendes und angenehm Berauschendes hat, und sah
seine kleine Person und sein kleines Leben einem großen Rhythmus eingefügt. Um neun Uhr war eine Viertelstunde Pause, und jeder erhielt ein Stück Brot und ein Glas Most. Erst jetzt begrüßte August den neuen Lehrbuben. Er redete ihm aufmunternd zu und fing wieder an, vom nächsten Sonntag zu schwärmen, wo er seinen ersten Wochenlohn mit den Kollegen verjubeln wolle. Hans fragte, was das für ein Rad sei, das er abzufeilen habe, und er erfuhr, es gehöre zu einer Turmuhr. August wollte ihm noch zeigen, wie es später zu laufen und zu arbeiten habe, aber da fing der erste Geselle wieder zu feilen an, und alle gingen schnell an ihre Plätze.
Als es zwischen zehn und elf Uhr war, begann Hans, müde zu werden; die Knie.und der rechte Arm taten ihm ein wenig weh. Er trat von einem Fuß auf den andern und streckte heimlich seine Glieder, aber es half nicht viel. Da ließ er die Feile für einen Augenblick los und stützte sich auf den Schraubstock. Es achtete niemand auf ihn. Wie er so stand und ruhte und über sich die Riemen singen hörte, kam eine leichte Betäubung über ihn, daß er eine Minute lang die Augen schloß. Da stand gerade der Meister hinter ihm. »Na, was gibt's? Bist schon müd?« »Ja, ein bißchen«, gestand Hans. Die Gesellen lachten.
»Das gibt sich schon«, sagte der Meister ruhig. »Jetzt kannst du einmal sehen, wie man lötet.
Komm!«
Hans schaute neugierig zu, wie gelötet wurde. Erst wurde der Kolben warm gemacht, dann die Lötstelle mit Lötwasser bestrichen, und dann tropfte vom heißen Kolben das weiße Metall und zischte gelind.
»Nimm einen Lappen und reibe das Ding gut ab. Lötwasser beizt, das darf man auf keinem Metall sitzen lassen.«
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