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Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Titel: Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen
Autoren: Alisha Bionda
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war, wo sie entsetzlich geschminkt, mit einem Bademantel und einer Schnapsflasche in der Hand wie ein Geist durch die Gänge wandelte. Danach redete er über sein Leben im Altbau, das er seit zwei Jahren führte, darüber, dass im Jänner das Wasser im Spülkasten des Klos gefror, wenn jemand vergaß, das Fenster zu schließen, dass bei einem Stromausfall alle Lebensmittel im Eiskasten verdarben und er deshalb Butter, Käse, Milch und Eier über die Wintermonate zwischen dem Fensterglas auf dem Sims aufbewahrte, und darüber, wie er eine Nacht um die andere in Decken gehüllt neben dem Heizstrahler saß und Tatort , Talkshows und die Wiederholungen der alten Columbo -Folgen schaute.
    In meiner Wohnung hatte ich auch ein Fernsehgerät, doch kam ich nie dazu, es anzuschalten. Meist war ich mit Freunden unterwegs, im Kino, beim Billard, Kegeln oder in einer Karaoke-Bar, verabredete mich gelegentlich mit Clara, einer Jurastudentin, zum Tanzen oder ging nach einem Squashspiel mit anschließendem Saunabesuch noch auf ein Bier in Elmars Steakhaus . Selbst wenn ich eines Abends tatsächlich allein zu Hause gewesen wäre, hätte ich mir Tatort und die Wiederholungen der Columbo- Folgen bestimmt nicht angesehen. Das Leben hatte mehr zu bieten.
    »Beim letzten Hagelschlag wurde die Hausantenne beschädigt, seitdem ist nur noch der Ton da und das Bild weg, wie bei einem Hörspiel ohne Erläuterungen.« Er lächelte gequält.
    »Treffen wir uns mal nach der Arbeit«, unterbrach ich ihn, »dann können wir in Ruhe plaudern.«
    »Ich gehe dir auf die Nerven, nicht wahr?«, fragte er leise.
    »Nein«, log ich.
    * * *
    Dienstags nach der Arbeit gingen wir öfters ins 15er Pub , wo wir ein Bier tranken, doch führten wir dort immer dieselben Gespräche. Meistens redete Konrad über seine verrückte Mutter, seine Exfrau, dieses verlogene Luder, den neuen Typ, diesen bornierten Affen, der jetzt in ihrem Haus im Burgenland wohnte, und schließlich über sein eigenes trostloses Leben, das er in einer Dreißig-Quadratmeter-Wohnung fristete. Er klagte über die langen Abende, an denen er, in eine Wolldecke gehüllt, vor dem Fenster saß und auf den nahenden Winter wartete, während die Butter auf dem Fenstersims erstarrte und die nassen Hemden an der in der Küche gespannten Wäscheleine baumelten. Manchmal lief das Fernsehgerät, doch nur der Ton, niemals das Bild. Wie bei einem Hörspiel ohne Erläuterungen. Ich konnte es nicht mehr hören.
    »Du musst dich mit etwas beschäftigen«, schlug ich vor. »Hast du keine Interessen?«
    »Welche?« Er starrte apathisch in sein Bierglas.
    Ich wischte mit der Hand durch die Luft. »Ich weiß es nicht. Kauf dir ein Aquarium, einen Goldhamster, besuch die Abendschule oder einen Volkshochschulkurs über Mathematik, Geometrie, was weiß ich ... beginn eine neue Sammlung!«
    »Ja, meine Ansichtskarten«, seufzte er und ließ den Schaum im Bierglas kreisen. »Die hat sie am Tag der Müllabholung in den Altpapiercontainer geworfen, dieses Luder.«
    Ich starrte ihn entsetzt an. »Aber du hast gesagt …«
    »Ich habe die Kanaille durchs Fenster beobachtet. Kathi hat alle Schachteln in den Container gestopft. Sie hat mir immer vorgeworfen, dass ich mich zu wenig um sie kümmere, dabei habe ich meine Karten nur an zwei Abenden pro Woche geordnet ... nur an zwei! Über viertausend Karten aus dreiundneunzig Ländern. Es waren sogar drei aus den Emiraten und eine aus dem Vatikan darunter. Kathi hat alles weggeworfen. Zuletzt ging nicht einmal der Deckel zu. Der Nieselregen hat alles aufgeweicht.«
    »Du hast nichts dagegen unternommen?«, rief ich.
    Er blickte mich mit funkelnden Augen an. »Ich lag mit Bronchitis im Bett. Als sie später das Schlafzimmer betrat, in der Regenjacke und mit nassen Haaren, sagte sie nur, sie hätte bloß Prospekte und alte Zeitungen entsorgt.« Er atmete tief durch. »Gerald, sie war nicht anders als die Typen in der Schule.«
    »Tut mir leid.«
    »Das braucht es nicht. Es war schon immer so und wird auch immer so bleiben.« Er leerte sein Glas in einem Zug, erhob sich vom Tisch und bezahlte die Rechnung. »Mach’s gut.« Anschließend verließ er das Lokal.
    * * *
    Als Weihnachten nahte, warteten zwei Wochen Betriebsurlaub auf uns. An unserem letzten Arbeitstag im alten Jahr besuchte ich Konrad in seinem Kellerbüro. Ich lief durch den Korridor zur EDV-Abteilung mit einem schweren Karton im Arm, den mir eine Verkäuferin der Spielwarenabteilung in Weihnachtspapier eingewickelt
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