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Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Titel: Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen
Autoren: Alisha Bionda
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nahm einen kräftigen Schluck, um entsetzt festzustellen: Es war Blut.
    Mit zitternden Händen stellte er den Pokal auf einen Schreibtisch, der in ihrer Nähe stand, stützte sich schwer auf die hölzerne Platte, als stechender Schmerz durch seine Eingeweide zog und sich sein Magen krampfartig zusammenzog. Israel krümmte sich, die Hände in den Leib gepresst, und hörte ein amüsiertes Lachen hinter sich.
    »Es wird gleich vergehen. Du wirst dich daran gewöhnen, wenn du erst einer von uns bist.«
    Aus Israels Kehle drang nur ein Krächzen, das an einen Raben erinnerte. »Einer von euch ? Wer seid ihr, was wollt ihr von mir?«
    »Setz dich!« Ischariot drückte Israel auf den Stuhl, auf dem Hiob sonst während seiner Berichte saß, und nahm auf der anderen Seite des Schreibtischs Platz. Er legte die Hände vor sich und betrachtete Israel eine Weile – diesen eher unscheinbaren jungen Mann, der eine solche Wirkung auf die Menschen ausübte und somit eine Bedrohung für ihn darstellte.
    Doch nun hatte er ihn dort, wo er vielleicht eine zusätzliche Stärke für ihn und seine Brüder darstellen konnte – an seiner Seite.
    Und er gedachte, keine Zeit mehr zu verschwenden, um diesen Bund zu besiegeln.
    Ischariot erhob sich, als Israel den Mund öffnete, um eine erneute Frage zu stellen. Doch der Obere trat mit einem schnellen, fließenden Schritt an ihn heran, beugte sich über ihn und küsste ihn auf die Wange.
    Israel zuckte zurück, als habe er ihn geschlagen. Ein Gefühl des Unwohlseins breitete sich augenblicklich in ihm aus, zumal sich Ischariot immer noch über ihn beugte. Als er dessen triumphierende Worte hörte, die er in sein Ohr wisperte, vernebelte sich Israels Geist, und er sank besinnungslos zu Boden.
    Es war das Blut der Frau, die du liebtest, das du getrunken hast – und somit gehörst du zu uns. Zu mir.
    * * *
    Einige Monate später
    Israel war nach der seltsamen Begegnung in seinem Bett aufgewacht, fest davon überzeugt, wieder von einem seiner düsteren Träume heimgesucht worden zu sein.
    Aber bald war er sich immer sicherer, dass ihm Ischariot tatsächlich erschienen war. Lange rang er mit sich, ob er sich Kosam anvertrauen sollte, entschied sich aber dagegen und versuchte, das Erlebte aus seinem Gedächtnis zu verbannen.
    Bis eines Tages ein Greis in dem Antiquariat auftauchte, der sich Hiob nannte und Israel zu sprechen verlangte.
    Kosam beäugte den weißhaarigen Mann misstrauisch, da er einmal mehr um Israels Seelenheil bangte.
    Nicht zu unrecht, wie es sich herausstellte, denn Hiob besuchte das Antiquariat fortan täglich, bemühte sich sichtlich um Nähe zu Israel, aber auch zu Kosam. Es dauerte nicht lange, und sie bildeten eine Trinität, die Kosam seltsam gestärkt und vollkommen stimmte. Längst hatte er sich Hiob anvertraut, von der Schuld erzählt, die er in sich trug, seit er einst einem jungen Mann aus Eifersucht das Leben nahm. Nun wollte er an Israel wieder gutmachen, was er verbrochen hatte. Als er jedoch von Rebekka sprach, ihren Liebreiz beschrieb und ihre sahnige Haut, sah er Hiob erbleichen.
    »Was ist mit dir, mein Freund?«, wollte er wissen. »Du siehst aus, als wäre dir ein Geist begegnet.«
    »Du liegst mit deiner Formulierung nicht weit entfernt von der Wahrheit«, stieß Hiob tonlos hervor. Seit langem hatte er sich innerlich von dem Bund des schwarzen Blutes entfernt, denn er verurteilte Ischariots Tun und auch die Vorgehensweise der Brüder, war aber zu feige und schwach gewesen, sich dagegen aufzulehnen. Doch was war sein mehrfach vertanes Leben gegen das dieses jungen Mannes, der der Welt – dank seiner Wortkunst – Licht schenkte?
    Hiob blickte Kosam ernst an: »Es wird Zeit, dass ich dir die volle Wahrheit erzähle, mein Freund. Auch wenn sich danach unsere Wege auf ewig trennen werden!«
    * * *
    »Ich grüße dich, mein Sohn!« Ischariot frohlockte insgeheim, als er Israel erblickte, der seinem Ruf gefolgt war.
    Der junge Mann hatte sichtlich an Souveränität gewonnen. Seine angeborene Zurückhaltung und auch die Scheu vor dem Oberen war gewichen.
    Ischariot bemerkte das zwar, aber er befand sich in einem solchen Hochgefühl, dass er es ignorierte, so wie auch seinen Instinkt, seine innere Stimme, die ihn zur Vorsicht riet. Vielleicht wollte er sie nicht hören, denn er war im Laufe der letzten Monate müde geworden.
    »Setz dich.« Er wies auf den Platz ihm gegenüber. Wieder trennte sie der Schreibtisch, der stets eine Grenze zwischen dem Oberen und seinen
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