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Unter deutschen Betten

Unter deutschen Betten

Titel: Unter deutschen Betten
Autoren: Justyna Polanska
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der Empfängerin gar nicht als Witz ankam. Stattdessen schrieb sie zurück:
Hast Du es gemerkt?
Aber ich muss sagen: Kompliment für Deine Ehrlichkeit!
    Ich war sprachlos. Nicht nur wurde mir unterstellt, ich würde klauen. Die fühlten sich noch nicht mal genötigt, sich zu entschuldigen. Unverfrorenheit siegt …
     
    Die nächste Stufe der Absonderlichkeit erklomm eine ältere Dame, zu der ich einmal die Woche zum Putzen kam. Sie war unverheiratet und hatte im Laufe ihres Lebens die eine oder andere Macke entwickelt, ohne dass sie ein Partner davon hätte abhalten können.
    Eine davon war ihre Obsession mit Staub.
    Sie legte höchsten Wert auf das Staubwischen. Mit spitzer, hysterisch gepresster Stimme hielt sie mir jedes Mal einen Grundsatzvortrag:
»Fräulein Justyna, Sie müssen unbedingt mehr Staub wischen. Vor allem in den Ecken. Da setzt er sich besonders gerne ab. Und wenn man Staub nicht beseitigt, muss man irgendwann das ganze Möbel entfernen. Weil er alles zusetzt. Der Staub ist der Feind der Hausfrau. Es ist nötig, dass man ihn entfernt, bevor er entsteht. Verstehen Sie? BEVOR ER ENTSTEHT! Und entfernen heißt: überall und restlos. Und das bedeutet: Auch auf den Bilderrahmen! Verstehen Sie? AUF den Bilderrahmen!«
    Die besonders wichtigen Passagen wiederholte sie jeweils mit kreischendem Nachdruck. Meine Ohren schmerzten.
     
    Ich muss gestehen, ich wischte nicht nach ihren Vorstellungen Staub. Ich fuhr nicht jede Woche über jeden Bilderrahmen, jede Vase, jedes Fläschchen, jeden Spiegel und sonstigen noch so kleinen Vorsprung.
    Ich wischte Staub, aber ich wollte ihn nicht vom Planeten entfernen.
    Außerdem hatte ich noch anderes zu tun.
    Und auch hier nur zwei Stunden Zeit.
     
    So stand mir die Gute eines Tages hyperventilierend gegenüber, hielt mir ein Centstück entgegen und quietschte: »Sehen Sie! SEHEN SIE, WAS ICH GEFUNDEN HABE!«
Ich: Ein Centstück?
Sie: GANZ GENAU!
Ich: Und?
Sie: Das lag auf dem Bilderrahmen! Ich sage Ihnen nicht, auf welchem!
Ich: Ich verstehe nicht …
Sie: DAS IST DER BEWEIS!
Ich: ???
Sie: Das ist der Beweis, dass Sie keinen STAUB gewischt haben! Ich habe Sie ÜBERFÜHRT! Jetzt ist SCHLUSS! Sie packen jetzt Ihre Sachen und GEHEN! Ich KÜNDIGE Ihnen! Ich will KEINE Lügner in meinem Haus haben!
    Ich frage mich heute noch, ob ich irgendetwas verpasst hatte. Aber ich glaube, das war es wirklich schon …
     
    Eine andere Anekdote widerfuhr mir bei einem Ingenieur. Er war oft auf langen Dienstreisen, und ich hatte die Aufgabe, seine Wohnung auf Vordermann zu bringen, bevor er zurückkam.
     
    Vielleicht lag es an seiner Ausbildung, einer gewissen Zwanghaftigkeit oder einem ausgeprägten Spieltrieb. Fest steht: Jedes Mal, wenn ich einen Schrank oder eine Schublade öffnete, hörte ich ein leises, aber deutliches Schnappgeräusch.
    Das kam von den langen Kopfhaaren, die der findige Herr mit Tesafilm über die geschlossenen Türen geklebt hatte. Um zu überprüfen, welche ich öffnete und welche nicht.
     
    Für wie blöd hielt der mich? Meinte er, ich würde den spürbaren Widerstand nicht bemerken? Oder das plötzliche Schnappen? Ganz zu schweigen von den offensichtlichen Tesastreifen, die die Haare links und rechts fixierten. Oft noch in Augenhöhe.
     
    Der hatte wohl zu viele schlechte Agentenfilme gesehen.
    Offenbar öffnete ich aber genau die Schubladen, die ich öffnen durfte, und ließ die geschlossen, deren Inhalt er geheim halten wollte, denn nach ein paar Monaten waren die Beweisfallen verschwunden.
    Ich putze heute noch bei ihm.
    Das Haarproblem wurde nie erörtert.
     
    Den Vogel allerdings schoss Frau Blank ab!
     
    Ich sage es mal, wie es war:
    Die machte bewusst neben das Klo, um zu schauen, ob ich auch gründlich wischte. Aber damit nicht genug, denn sie schmierte ihren Darminhalt auch noch unter die Brille, um zu prüfen, ob ich sie zum Reinigen auch hob.
     
    Als ich sie fragte, was denn passiert sei, erklärte sie mir völlig gelassen ihren Putzfrauen-Prüfungs-Plan. Als sei es das Normalste der Welt. Und dann sprach sie den bedeutungsschwangeren Satz:
»Nur, wer sich tief bückt, wird hoch belohnt.«
    Keine Ahnung, was sie mir damit sagen wollte oder in welchem Film sie eigentlich war.
    Ich wartete auch nicht wirklich eine Erklärung ab.
    Nach dreimal Kacke habe ich gekündigt.
    Mehr schien mir dann doch zu viel des Guten.

Völlig vorurteilsfrei
    D er Verdacht, wir würden klauen und wären faul, begleitet uns Putzfrauen unweigerlich. Und für mich
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