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Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Titel: Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes
Autoren: Robert Brack
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Querstange die Balance zu halten. Sie hatte versäumt, die Handschuhe anzuziehen, die steckten in den Manteltaschen, und ihre Finger froren steif auf dem kalten Metall.
    Vor dem Bahnhof noch mehr braune Uniformen. Sie überwachten die Eingänge. Ihr Begleiter fuhr Klara auf eine Reihe von Reisenden zu, die vor dem Betreten des Bahnhofs Ausweis und Fahrkarten zeigen mussten.
    »He!«, rief er atemlos. »Meine Cousine muss zum Zug, der fährt in zwei Minuten.«
    Klara sprang vom Rad, ihr Begleiter fiel beinahe herunter, fand das Gleichgewicht wieder und hob linkisch die Hand: »Heil Hitler.«
    Der SA-Führer musterte ihn kurz. »Wo will sie denn hin?« »Berlin. Hat ne Stellung als Tippse in Aussicht.«
    Der SA-Mann blickte sie abschätzend an: »Und was ist in dem Koffer drin?«
    »Was Schickes zum Anziehen in der Hauptstadt«, sagte Klara keck.
    »Na dann.« Und ließ sie mit einer knappen Kopfbewegung passieren.
    Klara drückte die Tür auf, ihr Begleiter schob das Fahrrad hinterher.
    »He«, rief der SA-Mann, »das Fahrrad bleibt draußen!«
    »Leck mich am Arsch«, murmelte Klaras Helfer und rannte mit dem Fahrrad weiter.
    Am Bahnsteig kam eine riesige Dampflok zischend zum Stehen, Rauch und Dampfschwaden ausstoßend. Auf dem Nebengleis warfen die Schaffner die Türen des D-Zugs nach Berlin zu. Es dauerte eine Ewigkeit, bis der Koffer abgeschnallt war. Klara hastete die Waggons entlang … erste Klasse, zweite Klasse … ein schriller Pfiff ertönte … die großen roten Eisenräder der Lok drehten langsam durch, fassten Grund und der Zug setzte sich träge in Bewegung. Eine Tür schwang auf, Klara schob den Koffer voran, fasste mit Fingern, die kaum noch in der Lage waren, etwas festzuhalten, nach dem Griff und stieg hinauf. Jemand nahm den Koffer, schob ihn aus dem Weg und zog sie rein. Neben ihr winkten Hände durch die offene Tür und das Fenster. Dampfschwaden zogen vorbei, die Tür fiel zu.
    Ein Herr im Ulster, mit einem Homburg und Handschuhen, reichte ihr den Koffer. »Dritte Klasse linker Hand«, sagte er.
    »Ich hab Zweiter«, murmelte Klara, mehr zu sich selbst.
    »Bitte vielmals um Entschuldigung, bitte sehr.« Er deutete in die andere Richtung.
    Klara stolperte mit dem Koffer den Gang entlang und betrat ein Abteil, in dem noch drei freie Plätze waren. Wenig später saß der Mann im Ulster ihr gegenüber. Dann gesellte sich eine braune Uniform mit ausladendem Bauch dazu.
    Es war kalt im Abteil, alle behielten die Mäntel an. Der Mann im Ulster redete gern, die braune Uniform nickte. Sie verstanden sich offenbar gut. Für Klara war das Geschwätz eine Tortur. Zudem fühlte sie sich unwohl in ihrem Tweedrock und den groben Strümpfen.
    Der Ulster holte eine silberne Zigarettenschachtel aus der Manteltasche und bot jovial allen Anwesenden eine an. Alle lehnten ab, sogar der Uniformierte, nur Klara griff dankbar zu. Kurz stutzte sie. Lag es nur an ihren gefrorenen Händen, oder hatte sie sich aus Nervosität innerlich so versteift, dass ihr der Gedanke an eine Zigarette gar nicht gekommen war? Sie sog den Rauch ein und merkte, dass ihr etwas Essenzielles gefehlt hatte. Der Ulster stierte sie an. Ihr Erscheinungsbild und die Art, wie sie die Zigarette hielt, passten nicht zusammen. Sie bemühte sich, ungeschickt zu wirken, tat so, als müsste sie husten. Der Ulster grinste zufrieden.
    Nach einigen Versuchen, den desinteressierten Anwesenden die Vorzüge deutschen Tabaks zu erklären, und nachdem er sich als national denkender Tabakwarenproduzent zu erkennen gegeben hatte, wandte er sich wieder an den Uniformierten. Er sah eine glorreiche Zukunft für Deutschland kommen, jetzt wo die »ordnenden Kräfte« Tritt gefasst hätten. Ein goldenes Zeitalter des Friedens und des Wohlstands werde anbrechen. Selbst wenn Hitler wolle, könne er keinen Krieg vom Zaun brechen, weil niemand mitmachen würde. »Und warum? Ich sage es ihnen: Wirtschaftsinteressen. Genau deswegen. Es ist nämlich nicht so, wie die Marxisten behaupten: Kapitalismus bringt keineswegs den Krieg, sondern den Frieden, nur so kann ich Geld verdienen. Bestes Beispiel: Unsere Beziehungen zu Russland. Die Bolschewisten predigen die Revolution und haben allerbeste Handelsbeziehungen zum deutschen Klassenfeind. Deshalb übrigens halten die Kommunisten ruhig. Hätten sie nicht allen Grund zum Aufstand? Die Partei verboten, die Führer verhaftet … wo ist der angedrohte Generalstreik? Es gibt ihn nicht. Und warum? Weil Stalin die lukrativen
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