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Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Titel: Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes
Autoren: Robert Brack
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Wenig später erschien er wieder in der Tür, knöpfte sich den Mantel zu und zog sich den Hut gerade, der jetzt, wo er kein Toupet mehr trug, tiefer saß.
    »Falls du in Berlin die Hilfe eines Unsichtbaren brauchst: Johann Caspar Schmidt, postlagernd, Amt am Alexanderplatz.« Er gab Svarta einen Handkuss, boxte Klara leicht gegen die Schulter und verschwand mit einem anzüglichen Grinsen.
    »Also ist er doch ein guter Freund«, stellte Svarta fest.
    »Er hat mir geholfen, aus Hamburg zu flüchten, als ich dort fort musste.«
    »Warum?«
    »Ich hatte versucht, einen Mörder zu richten, der im Polizeidienst steht.«
    Svarta schwieg.
    »Wir sind im kalten Schornstein eines Dampfers als blinde Passagiere nach England gefahren«, fuhr Klara fort. »Wir haben viel diskutiert. Er will die Revolution, aber nur für sich. Er redet wie ein Philosoph, aber ich verstehe ihn nicht.«
    »Ich dich auch nicht.«
    »Ich funktioniere ganz normal, wie alle anderen. Aber ich mag keine Krallen.«
    »Da hast du aber Pech …«
    Später, als Klara ihr verbot, sie zum Hafen zu bringen, war kaum noch zu erkennen, welches von Svartas grünen Augen lebte.
    Der Stückgutfrachter »Horizont 2« mit Kurs auf Rostock hob und senkte sich, mal gleichmäßig, mal unberechenbar. Am schlimmsten waren die Momente, wenn er sich senkte, statt wie erwartet aufzusteigen. Die Ostsee, ein Ort, an dem sie einmal als Backfisch Urlaub gemacht hatte, wo das Wasser im Sommer zumeist träge an den Strand platschte, entpuppte sich als eigenwilliges Naturelement. Zumindest für sie, die Landratte. Klara saß in der Messe und versuchte, sich über ihr Unwohlsein hinwegzutäuschen, indem sie rauchte. Es funktionierte halbwegs.
    Das Geschirr in der Kombüse schepperte leise. Der Kapitän der »Horizont 2« setzte sich zu ihr an den Tisch, der Smutje brachte zwei Grog.
    »Bist ein bisschen bleich um die Nase«, sagte er.
    »Ich bin von Natur aus blass.«
    »Wenn wir in Rostock ankommen, vielleicht geht es dann schon los.«
    »Was?«
    »Generalstreik.«
    Der heiße Grog wärmte Klaras kalte Hände.
    »Wir haben Kisten mit Flugblättern. Die gehen mit dir an Land. Auch andere Schiffe haben Propagandamaterial. Die deutschen Hafenstädte werden sich zuerst erheben, wie damals im November. Aber diesmal ist es wirklich das letzte Gefecht.«
    »Dein Wort in Thälmanns Ohr, Genosse.«
    »Und du, was ist deine Aufgabe?«, fragte er neugierig.
    »Ich werde bestimmt nicht die Jeanne d’Arc spielen.«
    »Sondern?«
    »Schweigen«, sagte Klara und zündete sich eine Zigarette an. Der Kapitän stellte noch einige unbeholfene Fragen. Vergeblich.Schließlich stand er auf. Er war unzufrieden. »Ich weiß ganz gern, was gespielt wird auf meinem Schiff.«
    »Hier auf dem Schiff gar nichts.«
    Er musterte sie verkniffen. »Na gut. Um sechs musst du bereit sein«, sagte er mit schnarrender Stimme. »Wird sicher kein Vergnügen. Die Sache muss zügig vonstatten gehen.« Und schroff fügte er hinzu: »Wenn du kotzen musst, dann tu’s jetzt!«
    Damit verließ er die Messe.
    Schweigen und spionieren, dachte Klara, das ist von nun an meine Aufgabe. Sie schloss die Augen und gab sich den Bewegungen des Schiffs hin.
    »Horizont 2«, was für ein eigenartiger Name, wenn man mal darüber nachdenkt. Aber du musst ihr vertrauen, deine Wahrnehmung an ihre Bewegungen anpassen, ihr eine Chance lassen, dich in ihre Obhut zu nehmen. Sie tanzt über die Wogen, lässt sich sanft in die Wellentäler fallen, nimmt dich mit nach unten und hebt dich wieder empor. Und wenn dir schwindelt, was ist schon dabei? Letzte Nacht war es nicht viel anders. Auf festem Grund. Und gefährlich war es auch.
    Sie öffnete die Augen, als zwei Mitglieder der Besatzung die Messe betraten.
    Noch mehr Grog.
    Ein Dritter brachte Nachrichten vom Funker. Die Führer der deutschen Arbeiterparteien ließen sich widerstandslos verhaften oder tauchten ab. Wo bleibt der Generalstreik, fragten die Seeleute.
    Die Gewerkschaften hätten Hitler ein Angebot gemacht.
    Keiner glaubte das.
    Was für eine verrückte Idee.
    Noch mehr Grog.
    Sie ließ sich den Weg zum Funker zeigen. »Gib mal durch: Nachrichten für mich im Zweifelsfall postlagernd Alexanderplatz.« Dann legte sie sich für einige Stunden in die Koje einer winzigen Kabine, die offiziellen Gästen der Reederei oder, wie in ihrem Fall, inoffiziellen der Besatzung vorbehalten war.

    Das Wasser war schwärzer als der Himmel. Kurz vorm Morgengrauen kletterte Klara über eine Strickleiter
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