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Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Titel: Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes
Autoren: Robert Brack
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ihre Glaubwürdigkeit stützen, ebenso ein paar britische Pfundnoten. Die beiden mit Gummibändern zusammengehaltenen Reichsmark-Bündel zählte sie hastig durch. Das Geld dürfte für die nächsten zwei Wochen ausreichen, wenn sie in der Reichshauptstadt nicht vom rechten Weg abkam.
    Klara nahm alles heraus und versteckte die ebenfalls gefälschten Papiere, die sie bislang benutzt hatte, den echten Mitgliedsausweis der KPD, Bezirk Wasserkante, und einige persönliche Aufzeichnungen im doppelten Boden. Dann räumte sie den Schrank aus und legte ihre Kleider in den Koffer. Er war nicht mal zur Hälfte gefüllt. Sie nahm die beiden Handtücher ab, die neben dem Waschbecken hingen, faltete sie und legte sie dazu. Nach einer Weile nahm sie die Tücher wieder heraus und hängte sie zurück.
    Sie legte sich aufs Bett, griff nach der arg zerlesenen deutschen Übersetzung von Stendhals Rot und Schwarz , die sie in einem Antiquariat in London für einen Schilling gekauft hatte, und stellte fest, dass sie sich nicht konzentrieren konnte. Schlafen war ebenfalls unmöglich. Sie grübelte vor sich hin. Sollte sie Svarta Auf Wiedersehen sagen? Adieu für immer. Wieder so ein überflüssiger trauriger Moment.
    Sie wurde unruhig. Nicht wegen Berlin. Das war ein Auftrag. Einen Auftrag erledigt man. Tatsächlich war sie dankbar. Zurück in die Heimat, das war doch allemal besser, als sich von den Samtpfoten einer einäugigen Katze einfangen zu lassen. Krallen hatte die auch und fauchen konnte sie sowieso.
    Klara sprang aus dem Bett, zog sich den Mantel über, die Schirmmütze ins Gesicht, griff nach dem Lederkoffer und ging. In einem Laden für gebrauchte Kleider gab sie das wenige dänische Geld, das sie jetzt noch übrig hatte, für eine Bluse, eine Strickjacke und einen Tweedrock aus, dazu dickeWollstrümpfe, die bis über die Oberschenkel reichten. Als sie den Laden verließ, war ihr Koffer besser gefüllt. Einen anderen Grund, sich diese Sachen zu kaufen, gab es ja nicht.
    Auf Umwegen, widerstrebend, näherte sie sich Svartas Wohnung, zögerte lange, ehe sie die Treppe hinaufstieg, und noch länger, bevor sie anklopfte.
    »Ist offen«, kam der Ruf von drinnen.
    Svarta und Ludwig Rinke saßen in der Küche und spielten Schach. Sie im Morgenmantel, auf hinreißende Art ungekämmt, er im Unterhemd, mit herabhängenden Hosenträgern, ohne Toupet. Svartas Lächeln verhieß Ekstase und Melancholie. Sie streckte den Arm aus und legte ihn um Klaras Hüfte.
    »Der König ist ein Filou«, sagte sie.
    »Aber die Dame blieb standhaft«, sagte Rinke, ohne aufzusehen.
    In der Küche war es heiß, der Ofen summte. Klara goss sich aus einer Blechkanne Kaffee in eine Tasse, warf ihren Mantel auf die Holzbank und setzte sich. Sie schaute zu, wie Svartas rechter nackter Fuß aufgeregt über ihre linke Wade strich, während sie verbissen über die nächsten Spielzüge nachgrübelte.
    Schließlich war Rinke matt gesetzt.
    »Das passiert mir höchst selten«, sagte er missgelaunt.
    »Ich hatte Glück«, sagte Svarta.
    »Ich reise noch heute Abend nach Berlin«, sagte Klara.
    Kaum etwas änderte sich in Svartas Gesicht, aber jetzt las man darin: Ja, natürlich, so wie immer.
    Wie gelingt ihr das nur, mich mit ihrem toten Auge zu fixieren. Ist das ihre Art, Freunde zu strafen?
    »Lebensmüde?«, fragte Ludwig.
    »Parteiauftrag.«
    »Also ein Himmelfahrtskommando.« Er schüttelte den Kopf. »Wo du sowieso schon von der Polizei und den Nazis gesucht wirst. Und ich dachte, ich hätte dich von diesem Wahn kuriert.«
    »Die Sache des Proletariats ist kein Wahn.«
    »Die schicken dich in die Höhle des Löwen.«
    »Die Nazis sind keine Löwen, das sind Schakale.«
    »Meinetwegen, aber jetzt fallen sie über deine Leute her.« »Das kann nicht lange dauern. Dann kommen wir«, sagte Klara trotzig.
    »Er will doch auch nach Berlin«, warf Svarta ein. Ihr Gesicht war ein einziger Zwiespalt, aufgeteilt in Regionen der Zuneigung und der Gleichgültigkeit.
    »Ich habe geschäftlich dort zu tun«, sagte Rinke.
    »Dann rede nicht so einen Unsinn von der Höhle des Löwen.«
    »Was habe ich denn zu fürchten? Wer interessiert sich in dieser Situation für einen gemeinen Einbrecher? Mein Vorteil ist, dass ich keiner Organisation angehöre. Ich bin praktisch unsichtbar.«
    »Das ist eine gute Idee.« Svarta sah ihn auffordernd an und winkte Klara zu sich.
    Rinke schüttelte bedauernd den Kopf. Klaras Finger fuhren durch Svartas pechschwarze Haare. Seufzend stand er auf.
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