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Unser Sommer in Georgia

Unser Sommer in Georgia

Titel: Unser Sommer in Georgia
Autoren: P Henry
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Mutter reichen zwei Tage. Hören Sie, Riley, Ihre Mutter ist stark, und ich respektiere ihre Wünsche. Seit anderthalb Jahren plant sie diese Jubiläumswoche, und sie freut sich so darauf, ihre Mädchen alle wieder um sich zu haben. Diese Freude werde ich ihr nicht nehmen.«
    »Aber jetzt wird sie ohnehin alles verpassen. Sie muss doch ... im Bett liegen.«
    »Bitte, überlassen Sie uns die Behandlung, und gestatten Sie Ihrer Mutter, Ihnen wann und wie sie möchte mitzuteilen, was sie Ihnen zu sagen hat.« Mit einer Handbewegung schnitt der Arzt Riley das Wort ab. »Und sagen Sie Ihren Schwestern nichts.« Dr. Foster schloss die Tür fester als nötig.
    Riley war mitten im Raum stehen geblieben. Sie fühlte sich noch einsamer als an dem Tag, als sie morgens früh festgestellt hatte, dass Maisy nach Kalifornien ausgerissen war. Behutsam legte sie sich die Hand auf die Brust, dorthin, wo sie bei dem Gedanken, dass sie noch einen Menschen verlieren könnte, einen stechenden Schmerz spürte. »Nein«, sagte sie laut und fragte sich dann, wie viele Männer, Frauen, Kinder, Eltern und Liebende in diesem Raum wohl schon versucht hatten, mit diesem Wort etwas abzuwenden.
    Sie küsste ihre schlafende Mutter auf die Stirn und verließ das Zimmer. Auf dem Flur zog sie ihr Handy hervor und wählte Maisys Nummer in Kalifornien. In den vergangenen zwölf Jahren war Riley überzeugt gewesen, dass sie ihre Schwester Maisy niemals wiedersehen würde.
    Sie hatte sich geirrt.

Zwei
    Maisy
    Maisy Sheffield ließ die Finger über ein Stückchen Leinen gleiten und hielt es neben die Farbprobe in Blassrosa, die die Kundin ihr gereicht hatte. Sie sollte den passenden Stoff dazu finden. Maisy tat so, als konzentriere sie sich stark. Obwohl sie sofort gewusst hatte, welches Material farblich am besten dazu passte, nahm sie ein Stoffmuster nach dem anderen in die Hand. Die Kundin kniff mit leisem Lächeln die Augen zusammen, als sei sie erfreut darüber, wie viel Arbeit Maisy sich mit der Auswahl machte.
    Die Stoffe in der Beach Boutique waren Maisy inzwischen ebenso vertraut wie ihr Leben. Mit Feuereifer hatte sie sich in alle Bereiche des Ladens in Laguna Beach eingearbeitet, fleißiger als jemals in der Schule. Schon vor langer Zeit hatte sie beschlossen: Je mehr sie sich anstrengte, um sich hier in Kalifornien eine Existenz aufzubauen, desto schneller würde ihr Leben in Georgia aus ihrem Bewusstsein verschwinden. Bisher hatte diese Strategie gut funktioniert.
    Im Laufe der zwölf Jahre war die Erinnerung an die zerbrechlichen Sanddollars, die weißen Seesterne und die grauweißen Muscheln am Strand von Georgia einer Wirklichkeit gewichen, in der der Sand gröber war und die Sonne über dem Wasser unterging statt über dem Land. Hier war die Luft leicht und trocken, ganz anders als die dichte, schwüle Feuchtigkeit auf der anderen Seite des Kontinents, die Maisys goldbronzefarbenes Haar in ein Lockenwirrwarr verwandelt hatte. Hier war die Natur leiser, zarter, und die Gesänge unter den schlanken Palmen waren nicht zu vergleichen mit dem chaotischen Gezirpe der Zikaden unter den Lebenseichen von Georgia. Die Strände hier in Kalifornien behielten stets ihre Gestalt und wurden bei Hochflut nicht schmal, um dann bei Ebbe wieder in voller Größe schlammig dazuliegen.
    Maisy war auf die andere Seite des Kontinents geflohen, um sich in einer völlig anderen Welt ein neues Leben aufzubauen.
    Sie kniff ein Auge zu und hielt einen rosaroten Leinenstoff ins Licht. »Dieser hier ist es, Mrs Findle.«
    »Ich wusste ja, dass sie den Richtigen aussuchen würden. Sie haben einfach ein Auge für solche Dinge.«
    Maisy bemühte sich, nicht zu ihrer Chefin Sheila hinüberzuschauen, um zu sehen, ob die das Kompliment gehört hatte, doch sie konnte nicht anders. Sheila nickte ihr ganz kurz zu, wobei ihr blonder Bob sich kaum bewegte. Sie lächelte.
    »Dann wollen wir jetzt erst mal den Stoff bestellen. Und anschließend überlegen wir, was Sie noch brauchen«, schlug Maisy vor.
    »Ansonsten brauche ich nichts. Ich will ja nur den kleinen Sessel in meinem Schlafzimmer neu beziehen. Der Damast, der jetzt drauf ist, gefällt mir überhaupt nicht mehr.«
    »Ach, wenn Sie diesen Stoff erst in Ihrem Zimmer haben, werden Sie bestimmt auch über die Lampen und die Bettüberwürfe nachdenken wollen.« Maisy begab sich in den hinteren Teil des Ladens. »Mit dem neuen Sesselbezug sind Sie schon dabei, eine neue Vision für den Raum zu entwerfen. Ich fände es schade,
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