Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unschuldslamm

Unschuldslamm

Titel: Unschuldslamm
Autoren: Judith Arendt
Vom Netzwerk:
Wildlederpumps. Als das Päckchen kam und sie die Rechnung herauszog, wollte sie alles sofort zurückschicken, aber Annika hatte sie genötigt, die Sachen doch wenigstens einmal anzuprobieren …
    Derart aufgehübscht, mit rabenschwarzem Gewissen ob der Kosten, die das neue Styling verursacht hatte, war Ruth in den Gerichtssaal gestöckelt. Beim Anblick des Staatsanwalts hatte ihr Herz sofort wild zu pochen angefangen, aber ein zweiter Blick auf Eisenrauch genügte, um ihre Euphorie zu dämpfen. Hier ging es nicht um einen Flirt. Hier ging es um Leben und Tod, rief sie sich in Erinnerung, die Sache war sehr ernst. Augenblicklich konzentrierte sich Ruth auf den Beginn des Verfahrens.
    Ein Kriminalbeamter war der Erste, der in den Zeugenstand gerufen und befragt wurde. Er schilderte, wie die deutsche Polizei die türkischen Behörden um Amtshilfe ersucht hatte. Die Kollegen in Ankara hatten auf Grund der Angaben, die Aras Demizgül gemacht hatte, die Adresse von Sergul Kara in Ankara sowie den Wohnort ihres Bruders Zinar, der bei den Eltern in Akalin Köyü gemeldet war, ausfindig gemacht. Daraufhin hatten beide eine Vorladung auf die nächstgelegenen Polizeireviere bekommen, aber keiner von beiden war erschienen.
    Auf Anrufe hatten die Geschwister ebenfalls nicht reagiert. Der Vater, Bozan Kara, hatte daraufhin die Wohnung des Mädchens in Ankara aufbrechen lassen. Tatsächlich fand man Sergul, die versucht hatte, sich mit Alkohol und Tabletten das Leben zu nehmen. Im Moment lag sie im Krankenhaus, lebendig zwar, aber nicht vernehmungsfähig. Immerhin hatte sie einen Brief mit dem Ablauf des Geschehens in der Tatnacht hinterlassen, in welchem sie ihren Bruder Zinar des Mordes an Derya Demizgül beschuldigte.
    Dieser wiederum war nicht auffindbar, der besorgte Vater hatte bereits eine Vermisstenanzeige aufgegeben.
    Nach diesem Bericht wurde der Zeuge aufgerufen, der damals Aras gesehen haben wollte, wie er mit seiner Schwester im Arm in das Wäldchen gegangen war. Man zeigte ihm ein Bild von Zinar Kara, und Veronika Karst fragte den Zeugen daraufhin, ob er den jungen Mann bereits einmal gesehen hätte.
    Der Zeuge starrte auf das Bild. Er überlegte lange. Bis er schließlich zur Richterempore aufsah. In seinen Zügen spiegelte sich die Verunsicherung.
    »Das könnte er auch sein«, sagte er schließlich zögerlich.
    »Wer könnte es auch sein?«, hakte die Richterin nach.
    »Na, der mit dem Mädchen in den Wald gegangen ist.« Der Zeuge blickte erneut auf das Bild. »Die Haare, die Statur – also, der könnte es genauso gewesen sein wie der andere.« Er blickte kurz zu Aras, der aussah, als hätte er aufgehört zu atmen.
    Veronika Karst sah den Zeugen sehr nachdenklich an. »Ihnen ist die Bedeutung einer Aussage vor Gericht aber schon klar?«, fragte sie.
    Der junge Mann zuckte bedauernd mit den Schultern. »Ja. Sorry, aber die sehen halt auch echt alle gleich aus.« Jetzt sah er der Richterin trotzig in die Augen. »Ich wollte ja nur helfen.«
    »Ja«, erwiderte die Karst knapp, »vielen Dank.« Dann schlug sie mit dem hölzernen Hämmerchen auf den Tisch und verkündete, dass sich Richter, Staatsanwalt und Verteidiger zur Beratung zurückziehen würden.
     
    Agenturmeldung der Adalu Ajansi,
Freitagmittag, dreizehn Uhr, über Newsticker
    Leiche auf Müllhalde identifiziert
    Wie soeben vom örtlichen Polizeiabschnitt von Hasankeyf bestätigt, handelt es sich bei dem heute in den frühen Morgenstunden auf der Müllhalde von Hasankeyf gefundenen Toten um Zinar Kara (23). Der Tote ist der Sohn des örtlichen Bauunternehmers Bozan Kara, der den jungen Mann gestern als vermisst gemeldet hatte. Nun hat der Vater ihn eindeutig identifiziert. Zinar Kara wurde die Kehle durchtrennt, weitere Hintergründe zur Tat liegen noch im Dunkeln. Die Polizei bittet die Bevölkerung um Mithilfe.
    B ERLIN- M OABIT, L ANDGERICHT,
EIN F REITAG IM F EBRUAR, VIERZEHN U HR
    Als sie das Gebäude verließ und auf die Turmstraße hinaustrat, atmete Ruth auf. Der Bürgersteig vor dem monumentalen Gebäude lag im Schatten, aber wenn sie den Kopf nach rechts drehte, zum Fritz-Schloss-Park, sah sie die Strahlen der matten Februarsonne. Die Straßen waren trocken, unter dem Laub des vergangenen Herbstes streckten die ersten Frühblüher ihre zarten Köpfe aus der Erde. Ruth beschloss, zu Fuß zum Bistro zu laufen, um ein wenig Licht und Luft zu tanken.
    Nach den neuesten Ermittlungsergebnissen hatte Staatsanwalt Hannes Eisenrauch in der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher