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Unschuldig

Titel: Unschuldig
Autoren: Andrea Vanoni
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kleinen Körper, Manuel ließ die Tüte mit den Gummibärchen fallen, sprang auf und schlang fest die Arme um sie. »Paula, Paula, wo kommst du denn her? Wo ist Mama? Kann ich ein Schokoladeneis bekommen?«
    Paula war noch immer fassungslos und hielt Manuel fest an sich gedrückt. Sie zitterte am ganzen Körper. »Aber sicher, du bekommst auch ein Schokoladeneis.« Die Tränen standen ihr in den Augen, als sie ihn wieder und wieder küsste. »Manuel, hat er dir etwas getan?«
    »Wie, getan?«
    »Hat er dich angefasst?«, fragte sie mit einem Kloß im Hals.
    Manuel blickte sie verständnislos an. »Er hat mir gezeigt, wie man Pizza macht. Ich kann jetzt auch backen! Wir wollen zusammen verreisen.«
    Er stand auf dem Sessel und sah sie mit bewunderndem Blick an. »Du bist die beste Polizistin der Welt.«
    Sie drückte ihn noch einmal, zog ihn dann vom Sessel und führte ihn zu Tür. Zu Kottke sagte sie im Vorbeigehen: »Bitte schließen Sie wieder ab. Hier darf keiner rein. Es werden gleich die Leute von der Spurensuche kommen. Solange warte ich mit dem Jungen.«
    »Wird jemacht«, brummte der Mann, sichtlich beeindruckt.
    Als Paula mit Manuel im Flur stand, sagte sie zu ihm: »Jetzt müssen wir erst mal Mami Bescheid sagen, dass du wieder da bist und dass es dir gut geht. Hörst du?« Noch während sie ihre Nummer zu Hause wählte, kam ihr der Gedanke, dass Sandra vielleicht einen Schock bekommen könnte. Dennoch – sie war die Erste, die es wissen musste.
    »Hallo, Paula?«
    »Ja, ich bin’s. Sandra, bitte bleib jetzt ganz ruhig, denn ich habe eine wundervolle Nachricht. Ich habe Manuel gefunden, er steht gesund und munter neben mir. Hier, ich geb ihn dir gleich selbst.« Dann übergab sie Manuel das Handy.
    »Hallo, Mami! Ja, ich bin okay. Paula hat mich gefunden. Eben gerade, mitten in Ice Age. Darf ich noch das Ende ansehen, bevor wir nach Hause fahren?«
    »Was?!«, hörte Paula Sandra kreischen.
    Sie nahm Manuel das Handy wieder ab. »Es ist alles okay, Sandra, bitte beruhige dich. Als ich ihn fand, saß er in einem bequemen Sessel und hat diesen blöden Film angesehen. Nein, nein, es ist ihm nichts passiert. Aber ich fahre trotzdem zuerst mit ihm zu Jonas ins Krankenhaus. Ja, du hast ihn bald wieder. Ich bringe ihn so schnell es geht nach Hause.«
    Die Kollegen von der Bereitschaft kamen, und als sie mit Manuel im Auto saß, sagte er: »Du, Paula, wir sollen im Kindergarten immer unsere Ferienerlebnisse aufmalen. Das möchte ich aber nicht.«
    »Das musst du auch nicht«, sagte sie und spürte, wie langsam ihre Anspannung der letzten Tage wich und eine gewaltige Welle der Erleichterung sie überrollte. Dann brach sie in Tränen aus.
    Manuel blickte sie erstaunt an und legte ihr tröstend seine kleine Hand auf den Arm.
     

57
    N icolai Berger blieb auch am nächsten Tag wie vom Erdboden verschluckt. Der Optiker hatte offenbar alles in der Wohnung zurückgelassen und war wahrscheinlich voller Panik auf und davon.
    Paula hatte sich in ihrem Büro an den Schreibtisch zurückgezogen und mit dem Bericht an ihre Vorgesetzten angefangen. Ihre Kollegen waren erleichtert, dass Manuel inzwischen wohlbehalten wieder bei seiner Mutter war, aber gleichzeitig frustriert, dass die Fahndung nach Berger bisher erfolglos geblieben war. Sie sandten Täterbeschreibungen bis in die entfernteste Ecke Deutschlands und verständigten Interpol. Auch mit den verschiedenen Medien wurde zwecks Mithilfe verhandelt. Die Fotos von Nicolai aus dessen Wohnung waren schon älteren Datums und wenig hilfreich, weil sein Aussehen sich stark verändert hatte. Nun wurde ein jüngeres anhand von Paulas Beschreibungen am Computer bearbeitet und ebenfalls ausgeschickt.
    Inspektionsleiter Fischer schaute noch herein und hielt einen seiner typischen Monologe, in dem er am Ende deutlich seine Unzufriedenheit ausdrückte: »Wie geht es weiter, Herrschaften? Schön, dass wir Ihren Neffen heil zurückhaben, Frau Zeisberg. Aber noch schöner wäre es, wir hätten auch den Täter.«
    Paula hatte keine Ahnung, wo sie noch suchen sollten. Im Moment konnten sie nur die Informationen der Einsatzwagen abwarten. Sie ging ans Fenster und starrte hinaus in die Dunkelheit. Was hatte ihr Nicolai bei seinem Gespräch auf dem Friedhof gesagt? Sie versuchte sich zu erinnern. Er entspanne sich beim Kochen? Nein, es war etwas anderes: beim U-Bahnfahren. Am liebsten mit der U2.
    Wahrscheinlich war nichts dran, aber sie informierte trotzdem die Kollegen und machte sich
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