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Unsanft entschlafen

Unsanft entschlafen

Titel: Unsanft entschlafen
Autoren: Carter Brown
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die mir blieb. Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt, so daß ein
Husten genügt hätte, mich aus der Fassung zu bringen.
    Ich stand sechzig Zentimeter
tiefer als Karsh und mußte den Schraubenschlüssel in einer schnellen halben
Drehung zu ihm emporschleudern. Mir blieb etwa eine halbe Sekunde Zeit und
bestenfalls die Möglichkeit, einmal auszuholen.
    Ich legte meine ganze Kraft in
diesen einen Schwung, der schnell und unerbittlich kommen mußte, und merkte im
letzten Moment, daß ich zu tief hielt und die Kinnlade nicht treffen würde.
Mein Verstand sagte mir im Bruchteil einer Sekunde, daß dies das Ende von Danny
Boyd und seinem Profil bedeutete, und es war nicht die beste Art zu sterben.
Nicht mit dem Gesicht voran im Dreck eines Zwei-Personen-Grabes, das ich noch
dazu selber ausgehoben hatte. Wo blieb da die Würde? Mein perfektes Profil in
Modder eingebettet, die…
    Der dicke Schraubenschlüssel
wirbelte so heftig, daß mein Handgelenk schmerzte. Dann glitt er mir aus der
Hand und landete irgendwo in der Dunkelheit. Die Taschenlampe fiel in die
Grube, und ich starrte verblüfft auf Maries Kniekehlen, die der Lichtstrahl
hell erleuchtete. Ich stand da wie ein Idiot und wartete, daß die Magnum
losknallen würde — aber nichts geschah.
    Nach geraumer Zeit — zwei
Sekunden oder vielleicht auch Minuten — beugte ich mich nieder, hob die
Taschenlampe auf und leuchtete die Stelle ab, wo Mannie Karsh gestanden hatte.
Er war nicht mehr da. Ich stieg hinaus und suchte, bis ich ihn in etwa zwei
Meter Entfernung ausgestreckt auf dem Rücken liegen sah.
    Ich kniete neben ihm nieder,
packte ihn am Hemd und zog ihn in eine sitzende Stellung. Die Anstrengung, die
es mich kostete, ihn hochzukriegen, bewies, daß er tot war. Sein Kopf rollte in
einem grotesken, unnatürlichen Winkel zurück, als betrachte er sein eigenes
Rückgrat.
    Der Schraubenschlüssel hatte
zwar die Kinnlade verfehlt, dafür jedoch mit seiner Breitseite den Hals
getroffen und dabei die Nackenwirbel durchgeschlagen. Ich konnte keinen Tropfen
Blut entdecken, nicht einmal eine Schramme. Vielleicht hätte das sogar Mannie
Karsh Respekt abgenötigt — eine schnelle, saubere Arbeit.
    Ich konnte es mir nicht
verkneifen: Ich hob ihn auf und trug ihn zur Grube.
     
     
     

11
     
    Nach diesen Ereignissen schien
mir Francis Hurlingford etwas Gastfreundschaft schuldig zu sein. Aber sämtliche
Haustüren waren verschlossen. Deshalb entlieh ich mir ein weiteres seiner
Gartengeräte — diesmal eine Breithacke — und schlug ein Fenster ein. Es war
dies nicht etwa ein unüberlegter Akt von Vandalismus. Ich ließ mir im Gegenteil
ausreichend Zeit, das richtige Fenster zu wählen, und vergewisserte mich, bevor
ich zuschlug, ob ich auch wirklich die größte Scheibe des Hauses gefunden
hatte.
    Da Mannie seine Magnum auf
dieser Erde nicht mehr brauchen würde, steckte ich sie in meine Hosentasche,
zusammen mit den dreitausend Dollar, die ich ihm wohlweislich aus dem Mantel
gezogen hatte. Als ich Marie auf die Beine helfen wollte, merkte ich, daß sie
ohnmächtig geworden war, so daß ich sie zum Haus tragen mußte.
    Erst einmal drinnen, fand ich
die Lichtschalter ohne Mühe. In der plötzlichen Helligkeit wirkte Marie wie die
Hauptdarstellerin eines Horror-Films. Nasser schwarzer Modder klebte an ihrem
Gesicht und an ihrem Mantel. Sie sah zum Erbarmen aus.
    Mein sechster Sinn führte mich
untrüglich zur Bar samt der nächstbesten Flasche Bourbon. Ich füllte ein Glas
mit reinem Whisky und leerte es in einem Zug bis zur Hälfte. Dann wartete ich,
bis ich wieder Luft bekam, und füllte ein zweites Glas, das ich zu dem Stuhl
hinüberbrachte, auf dem ich Marie abgesetzt hatte. Den echten Kerman-Teppich zu
ihren Füßen benutzte ich, um den größten Teil des Schmutzes von meinen Schuhen
zu wischen.
    Es gibt verschiedene Methoden,
ohnmächtig gewordene Damen wieder zum Leben zu erwecken, und einige davon
können als besonders originell bezeichnet werden; aber mir schien, Marie war im
Augenblick für derartige Scherze doch nicht ganz in der richtigen Verfassung,
so daß ich mich der konventionellen Mittel bediente, bis sie die Augen öffnete
und sich aufzurichten versuchte.
    »Sei ganz ruhig, mein Schatz«,
sagte ich. »Es ist alles vorbei.«
    »Danny?« Sie blickte mich
fragend an. »Ich muß ohnmächtig geworden sein. Ich kann mich gar nicht
erinnern...« Sie fuhr bolzengerade empor und packte mich heftig am Arm. »Dieser
schreckliche Mensch... dieser Verrückte...
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