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Unnatural History

Unnatural History

Titel: Unnatural History
Autoren: Jonathan Green
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gekommen war. Plötzlich tönte ein Krachen durch die verhältnismäßige Stille des schlafenden Museums, als wenn ein Tisch umgestoßen würde. Der Lärm kam von irgendwoher aus diesem Stockwerk, aus dem westlichen Flügel, der allein Darwin zustand. 
    Alfred wandte sich den Galerien zu und lief unter einem geschnitzten Bogengang hindurch, auf dem ›Der Aufstieg des Menschen‹ geschrieben stand. Er beschleunigte seine Schritte, als er die mondbeschienene Galerie betrat, in der sich einige aus Wachs gefertigte Nachbildungen der zahlreichen Vorfahren des Menschen befanden. Für alle Zeiten starr und in den buckeligsten Posen, konnte man hier die verschiedenen Arten bestaunen, vom Australopithecus afarensis bis zum Homo Neanderthalensis . Der schweifende Strahl der Lampe wurde von gebleckten Zähnen, verzerrten Mäulern, gläsernen Knopfaugen und schwarzgeränderten Feuersteinklingen zurückgeworfen.
    In jeder anderen Nacht hätte Alfred innegehalten, um durch die Musterstücke und die dazugehörigen Erklärungen zu schmökern, die den Besucher durch die Evolution vom primitiven Affenmenschen bis hin zur Entwicklung des denkenden Menschen führten. Er wäre ebenso fasziniert und verblüfft gewesen wie damals, als er das erste Mal ›Die Entstehung der Arten‹ gelesen hatte; die unglaubliche Geschichte über den Aufstieg der menschlichen Rasse, um die mächtigste und am meisten verbreitete Spezies der Welt – und darüber hinaus – zu werden.
    Als Charles Darwin die Entstehung der Arten erklärte, ihre natürliche Selektion und das Überleben des Stärkeren, wurde er zuerst von den weltbesten wissenschaftlichen Gehirnen jener Tage verspottet und als Scharlatan und Ketzer dafür denunziert, dass er sich gegen die einst weltweit verbreitete christliche Kirche und deren Kernglauben aussprach, dass allein Gott sowohl alles Leben, als auch die schlussendliche Version der Welt am Anbeginn der Zeit erschaffen hatte.
    Mit der Wiederentdeckung der verlorenen Welten in den Tiefen des kongolesischen Dschungels, oberhalb des Tafelbergplateaus des südamerikanischen Binnenlandes und auf halbversunkenen Inseln inmitten des indischen Ozeans, traten jedoch auch Andere – viele davon Männer der Kirche – zum Vorschein, um Darwins Behauptungen erneut anzufechten. Lautstark untermauerten sie die Annahme, dass die Theorie von der Entwicklung einer Spezies in eine völlig andere haarsträubend und aberwitzig war, schließlich existierten Dinosaurier und andere prähistorische Kreaturen ja immerhin bis in die gegenwärtige Zeit. Und diese tosende Debatte hielt sich hartnäckig und zornig – wie eh und je – unermüdlich über viele Jahrzehnte.
    Doch mehr als einhundert Jahre nach seinem Tod wurde Darwin dann posthum von allen Anschuldigungen der bestialischen Ketzerei und wissenschaftlichen Idiotie entlastet und zu jenem Punkt erhoben, an dem man ihn praktisch als den Vater des Wissenschaftszweiges der Evolutionsbiologie vergötterte, und so erhielt er einen eigenen Flügel im Natural History Museum; seinen Fortschritten und Entdeckungen gewidmet, die er seit seiner Veröffentlichung im Jahre 1859 machte. Tatsächlich arbeiteten Wissenschaftler bis heute in diesem Fachgebiet, wie die Professoren Galapagos und Crichton.
    Bei mehreren vorangegangenen Gelegenheiten hatte Alfred Wentwhistle so manche Zeit durch das Anstarren seiner Vorfahren vertrödelt, während sich sein Antlitz im Glas der Vitrine spiegelte, die eingesunkenen Augen von den ausgeprägten Brauen überdeckt. In solchen Augenblicken wunderte er sich über Darwins Vermächtnis für die menschliche Rasse und welche Implikation eine solch anerkannte Theorie wohl für Ihre Majestät, Königin Victoria, gehabt haben mochte, da doch durch diese Hypothese vorausgesetzt wurde, dass die britische Monarchin ebenfalls vom urzeitlichen Affenmenschen abstammte.
    Der vertraute Geruch von Kampfer und Bodenpolitur drang durch Alfreds Nasenhaare. Mondlicht tauchte die Galerie in ein monochromes Licht und enthüllte die grauen Umrisse von ausgestellten Säugetieren, Reptilien und Amphibien, die so angeordnet waren, dass sie deutlich den Evolutionsweg des Menschen aufzeigten, von dem Moment an, da sie aus dem steinzeitlichen Morast gekrochen kamen, bis zum heutigen Tage, an dem er den Globus dominierte. Der Mensch als die herrschende Rasse, welche die Erde und die näheren Planeten des Sonnensystems beinahe vollständig bevölkerte.
    Angrenzend an diese Galerie befanden sich die
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