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Unheimlicher Horror: d. übernatürl. Grauen in d. Literatur ; Essay

Unheimlicher Horror: d. übernatürl. Grauen in d. Literatur ; Essay

Titel: Unheimlicher Horror: d. übernatürl. Grauen in d. Literatur ; Essay
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
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Michel gehören zu ihren berühmtesten Beispielen. Und es darf nicht vergessen werden, dass die gesamte Ära hindurch unter Gebildeten wie Ungebildeten ein bedingungsloser Glaube an das Übernatürliche in jeglicher Form herrschte: von den sanftesten Lehren des Christentums bis hin zu den morbidesten Ungeheuerlichkeiten der Hexerei und der schwarzen Magie. Es war kein leerer Hintergrund, aus dem die Magier und Alchemisten der Renaissance - Nostradamus, Trithemius, Dr. John Dee, Robert Fludd und ihresgleichen - hervortraten.
Auf diesem fruchtbaren Boden gediehen Typen und Gestalten düsterer Mythen und Legenden, die in der unheimlichen Literatur bis zum heutigen Tag - durch moderne Techniken mehr oder minder verschleiert oder verwandelt - weiterleben. Viele von ihnen sind den frühesten mündlichen Quellen entnommen und zum Bestandteil des bleibenden Erbes der Menschheit geworden. Der Schatten, der erscheint und die Bestattung seines Gerippes verlangt, der DämonLiebhaber, der auftaucht, um seine noch lebende Braut davonzutragen, der teuflische Todesgeist oder Psychopompos, der den Nachtwind reitet, der Wolfsmensch, die versiegelte Kammer, der unsterbliche Hexenmeister - sie alle finden sich in jenem seltsamen Korpus mittelalterlicher Kunde, den Baring-Gould so eindrucksvoll in Buchform versammelt hat. Überall dort, wo das mystische Blut des Nordens am stärksten war, wurde die Atmosphäre der populären Sagen am intensivsten, denn den romanischen Rassen eignet ein Zug grundlegender Rationalität, der selbst ihren absonderlichsten Aberglauben jene zauberischen Untertöne versagt, die so charakteristisch sind für unser waldgeborenes und eisgenährtes Geflüster.
    Ebenso wie das Erdachte seine extensive Darstellung zuerst in der Poesie fand, so begegnen wir dem Unheimlichen auch in der Poesie zuerst: hier tritt es auf, um dann seinen bleibenden Platz in der normalen Literatur einzunehmen. Die meisten antiken Beispiele allerdings finden sich, sonderbarerweise genug, in der Prosaliteratur; so etwa die Werwolf-Episode bei Petronius, die schauerlichen Passagen bei Apuleius, der kurze, doch berühmte Brief von Plinius dem Jüngeren an Sura, und die seltsame Sammlung ÜBER MERKWÜRDIGE ERSCHEINUNGEN, die der Grieche Phlegon, ein Freigelassener Kaiser Hadrians, zusammengestellt hat. Bei Phlegon finden wir zum ersten Mal die grausige Geschichte der Leichenbraut, »Philinnion und Machates«, die später dann von Proklos berichtet wurde und in neuerer Zeit die Inspiration zu Goethes »Braut von Korinth« und Washington Irvings »Adventure of the German Student« lieferte. Doch um die Zeit, als die alten nordischen Mythen literarische Form annahmen, und in jener späteren Zeit, als das Unheimliche als bleibendes Element in der Literatur des Tages in Erscheinung tritt, finden wir es hauptsächlich in metrischer Form, was selbstverständlich auch für den größten Teil der Schönen Literatur des Mittelalters und der Renaissance überhaupt gilt. Die skandinavischen Eddalieder und Sagas hallen wider vom Donner kosmischen Grauens, und in ihnen bebt die nackte Angst vor Ymir und seiner ungestalten Brut, während unser angelsächsischer
    BEOWULF und die späteren kontinentalen Nibelungensagen voll sind von gespenstischer Unheimlichkeit. Dante ist ein Pionier in der klassischen Gestaltung grauenhafter Atomsphäre, und in Spensers stolzen Strophen erblickt man mehr als nur wenige Tupfer phantastischen Schreckens in Landschaft, Handlung und Charakter. Die Prosaliteratur gibt uns den MORTE D'ARTHUR von Malory, darin viele grässliche Situationen dargestellt werden, die frühen BalladenQuellen entnommen sind - so der Diebstahl in der Gefahrvollen Kapelle, bei dem Sir Galahad dem Leichnam Schwert und Seide entwendet; weitere und zweifellos gröbere Beispiele wurden sicherlich in den billigen und sensationellen »Chap-books«, den Volksbüchern geschildert, die auf volkstümliche Weise von Haus zu Haus bei den Ungebildeten verscherbelt wurden, die sie dann verschlangen. Im elisabethanischen Theater mit seinem DR. FAUSTUS, den Hexen in MACBETH, dem Geist im HAMLET und dem schauderhaften Grauen in Websters Stücken können wir leicht erkennen, wie stark die Vorstellungswelt der Öffentlichkeit unter dem Bann des Dämonischen stand; und dieser Bann verstärkte sich noch durch die sehr reale Angst vor lebendiger Hexerei, deren Schrecken zunächst auf dem Kontinent am wildesten rasten, doch dann, als die öffentlichen Hexenjagden unter James I.
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