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Unheimlicher Horror: d. übernatürl. Grauen in d. Literatur ; Essay

Unheimlicher Horror: d. übernatürl. Grauen in d. Literatur ; Essay

Titel: Unheimlicher Horror: d. übernatürl. Grauen in d. Literatur ; Essay
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
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Vergnügen fand an den Ritterromanzen und Mysterien des Mittelalters, und dem Strawberry Hill, ein wundersam imitiertes gotisches Schloss, als Behausung diente, veröffentlichte 1764 THE CASTLE OF OTRANTO; und diese Geschichte übernatürlicher Ereignisse, an und für sich völlig unüberzeugend und medioker, sollte einen nahezu einzigartigen Einfluss auf die Literatur des Unheimlichen ausüben. Nachdem er das Werk zunächst als die »Übersetzung« eines »William Marshai, Gent.« aus dem Italienischen eines mythischen »Onuphrio Muralto« vorgelegt hatte, bekannte sich der Autor später zu seinem Buch und freute sich über seine sofortige und weitverbreitete Popularität - eine
    Popularität, die sich in vielen Ausgaben und Auflagen, frühzeitiger Dramatisierung und massenhaften Nachahmungen in England wie in Deutschland niederschlug.
    Die Geschichte ist nicht nur ermüdend, künstlich und melodramatisch, sondern leidet auch noch unter einem flotten und prosaischen Stil, dessen urbane Springlebendigkeit nirgendwo die Entstehung einer wahrhaft unheimlichen Atmosphäre erlaubt. Erzählt wird von Manfred, einem skrupellosen Fürsten und Usurpator, der entschlossen ist, ein Geschlecht zu begründen, und der nach dem jähen, geheimnisvollen Tode seines einzigen Sohnes Conrad am Morgen dessen Hochzeitstages versucht, die eigene Gattin Hippolita aus dem Weg zu schaffen, um die Frau zu heiraten, die für den unglücklichen jungen Mann bestimmt war - dieser wurde übrigens zermalmt von einem riesigen Helm, der aus unerklärlichen Gründen in den Schlosshof stürzte. Isabella, die verwitwete Braut, flieht vor diesem Plan; und in den unterirdischen Krypten des Schlosses trifft sie auf einen edlen, jungen Beschützer, Theodore, der zwar Bauer zu sein scheint, doch auf seltsame Weise dem alten Alfonso ähnelt, der vor Manfreds Zeit Herr war über das Land. Kurz darauf bestürmen übernatürliche Phänomene verschiedenster Art das Schloss; hier und dort findet man Bruchstücke einer gigantischen Rüstung; ein Bildnis tritt aus seinem Rahmen heraus; ein Donnerschlag zerstört das Gebäude, und aus den Ruinen steigt die gewaltige, gewappnete Erscheinung Alfonsos auf, um durch aufreißende Wolken aufzufahren in den Schoß des heiligen Nicholas. Theodore, der um Manfreds Tochter Matilda geworben hatte und sie durch den Tod verlor denn ihr Vater erschlug sie aufgrund einer Verwechslung -, ist, wie sich herausstellt, der Sohn Alfonsos und rechtmäßiger Erbe des Besitzes. Er führt die Geschichte zu ihrem Ende, indem er Isabella heiratet und alle Vorkehrungen trifft, um ein glückliches Leben zu führen; Manfred aber, dessen Usurpation den übernatürlichen Tod seines Sohnes herbeigeführt und ihm selbst die übernatürlichen Plagen eingetragen hat, zieht sich zur Buße in ein Kloster zurück, während seine betrübte Frau Zuflucht sucht bei Nonnen in der Nähe.
    Derart ist die Geschichte; platt, gestelzt und völlig ohne das wahre kosmische Grauen, das erst die Literatur des Unheimlichen ausmacht. Doch dürstete die Zeit derart nach den Tönen des Sonderbaren und des gespenstischen Altertums, die das Buch spiegelt, dass es von den verständigsten Lesern ernsthaft aufgenommen und seiner ihm eigenen Unzulänglichkeit zum Trotz in der Literaturgeschichte auf das Piedestal überragender Bedeutung
    gehoben wurde. Seine Leistung bestand vor allem darin, eine neue Art von Schauplatz, Marionettengestaltung und Handlungsfäden zu schaffen; dies alles, besser genutzt von Schriftstellern, die von Natur aus zur Schaffung des Unheimlichen geeigneter waren, stimulierte die Entwicklung einer imitativen »gotischen« Schule, die wiederum die wahren Urheber kosmischen Schreckens inspirierte - jene Linie wirklicher Künstler, die mit Poe beginnt. Zu diesen neuen, dramatischen Elementen gehörte zuallererst das gotische Schloss furchterheischenden Alters mit seinen weiten Wegen und weitläufigen Räumlichkeiten, verlassenen oder verfallenen Flügeln, feuchten Korridoren, ungesunden verborgenen Katakomben und einer ganzen Schar von Geistern und entsetzlichen Legenden: das bildete den Kern der Spannung und der dämonischen
    Furcht. Zusätzlich gehörten dazu: der tyrannische und bösegesonnene Edelmann als Schurke; die fromme, langverfolgte und gewöhnlich fade Heroine, die die wesentlichen Schrecken durchsteht und auf die sich das Mitgefühl des Lesers konzentriert, der sich mit ihr identifiziert; der tapfere Held ohne Makel, stets von hoher Geburt,
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