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Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze

Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze

Titel: Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze
Autoren: Dietmar Bittrich
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Falschen davonpreschen. Da geschah das schreckliche Wunder. Die wahre Prinzessin warf sich dazwischen: »Ich bin es! Lasst mich mit euch gehen!« Und leuchtenden Auges schwang sie sich zum wilden Meister aufs Pferd und ward nimmer gesehen.
    Prinzessinnen, die auf sich halten, tun so etwas bis heute.
     
    »So! Der Greis und das junge Mädchen?«, stichelte Josephine. »Nun lass doch mal sehen!«
    »Der Legende nach sollen die beiden ein rauschhaftes Leben genossen haben«, fügte ich hinzu. »Ihre Kindeskinder mischen das Land hier bis heute auf.«
    »Also, der alte Knacker und die Junge. Geh endlich beiseite!«
    »Das Bild bedient uralte Klischees«, erklärte ich ihr. »Du kannst es gern in Augenschein nehmen, ich habe nichts dagegen, wieso auch? Aber das bringt absolut nichts!«
    Sie stieß mir ihren Ellbogen in die Rippen. »Weg!«
    »Ich wollte diese Geschichte eben nur erzählen, weil siewirklich ein Klassiker ist«, brachte ich noch an. »Die Unberührte und der rohe Kerl. Rotkäppchen und der Wolf. Die Blondine und King Kong. Bad Boy und Jungfrau ...« Ich dachte an meine Tochter und ihre unbegreifliche Vorliebe für Migranten schwarzer Hautfarbe.
    Aber Josephine hatte sich jetzt den freien Blick auf den Klassiker erobert, auf den Number-one-Hit: »Gott, wie widerwärtig!« Sie schien ergriffen von dem hetzerischen Bild. »Der garstige Tattergreis hier und das schüchterne Mädchen! Jetzt weiß ich, warum du die ganze Zeit wie angewurzelt davorgestanden hast.«
    »... Paris Hilton und ihre Hell’s Angels«, kam mir noch in den Sinn. Und als letzter Versuch: »Ich war selbst mal ein Bad Boy.«
    »Hör auf mit dem Schmalz! Du wolltest nicht, dass ich dieses Bild sehe, von diesem verwarzten Kahlkopf, wie er die Unschuld eines armen Mädchens kauft. Du wolltest nicht, dass ich die Wahrheit sehe, du feiger Egoist. Dabei ist es das erste Bild der Ausstellung! Der Anfang!«
    Ich erinnerte mich an Hillary Clintons Satz: Der Feminismus sei keineswegs erloschen bei der jungen Frauengeneration, vielmehr sei er ihr in die Gene geschleust worden. Das hörte sich nach Monsanto an und nach Foodwatch und dringend erforderlichen Hinweisen auf der Verpackung. Alle männlichen Verbraucher mussten wissen, was sie erwarben.
    »Völlig klar«, rief Josephine, »hier beginnt die Geschichte!«
    Welche Geschichte? Wessen? Josephines? Die Geschichte jeder Frau?
    »Die Geschichte der ungleichen Paare! Die argloseJungfrau fällt auf einen reichen Alten rein, auf einen spendablen Graumelierten, der die fünfzig schon überschritten hat ...«
    »Fällt herein? Willst du das für dich behaupten?« Nach meiner Erinnerung war sie jedenfalls keine Jungfrau mehr gewesen.
    »Danach«, malte sie sich aus, »brennt sie mit einem Bad Boy durch, um sich auszutoben. Du bist kein Bad Boy mehr. Ich bezweifle, dass du es jemals warst. Mönch passt eher.«
    Vor der Tür paradierte die Aufseherin vorbei, leuchtete alarmrot und täuschte Teilnahmslosigkeit vor. Einmal in Fahrt gekommen, schritt Josephine die Bilderreihe mit wachsendem Optimismus ab.
    »Nicht so laut!«, bat ich.
    »Sie befreit einen Mönch aus seiner Klause und macht ihn mit den Vorzügen des weltlichen Lebens vertraut.« Das war der Holzschnitt vom Eremiten und der betörenden Hexe. »Um zu heiraten, sucht sie sich was Solides, etwa diesen Nobeltyp.« Der Edelmann auf dem Dürer-Stich wirkte dumm und blasiert. »Millionenschwer abgesichert, kann sie sich was Lustiges leisten, einen sexy Künstler oder Fitnesstrainer. Und für die Cellulitisjahre schnappt sie sich einen unerfahrenen Jüngling.« Ihre Wangen glühten wie auf der Werbung für einen Vitamintrunk. Sie sah rundum gesund und zufrieden aus. »Ich glaube, ich habe die Ausstellung verstanden.«
     
    Vielleicht. Einen Jüngling zu schnappen würde ihr leichter fallen, als es meiner ersten Liebhaberin gefallen war. Die war knapp vierzig gewesen, ich Anfang zwanzig. Zu derZeit hatte es wenig aktuelle Vorbilder gegeben, eher klassische wie Kleopatra und Katharina die Große und Isadora Duncan, aber die waren zu weit weg. Harold und Maude wirkten bestenfalls skurril, eher abstoßend. Benjamin Franklins berühmte Gründe, eine ältere Frau zu heiraten, hatte ich gelesen. Aber heiraten wollte ich ja nicht. Die Frau war schon verheiratet, mit einem Mann ihres Alters, und daran wünschte ich nichts zu ändern.
    Die lebenden Vorbilder für ungleiche Paare waren damals, vor nunmehr dreißig Jahren, erst langsam ans Licht gekrochen und
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