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Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Titel: Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)
Autoren: Cynthia Hand
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ich ihn vor fünf Tagen gesehen, an dem Abend, als wir auf meiner Veranda standen, beide vom Regen durchnässt und rußverschmiert, und wir beide den Mut aufbringen wollten reinzugehen. Wir hatten so viel Verrücktes zu klären, aber irgendwie haben wir es nicht geschafft; und das war, wie ich gestehen muss, nicht Christians Schuld. Er hat mehrmals angerufen, ziemlich oft sogar in diesen ersten paar Tagen. Aber wenn ich seinen Namen im Display meines Telefons sah, war ich irgendwie gelähmt, in einer Art Schockstarre, wie ein Reh nachts auf der Landstraße im Autoscheinwerferlicht. Deshalb bin ich nicht rangegangen. Als ich mich dann doch endlich dazu durchgerungen habe, wussten wir beide nicht, was wir sagen sollten. Was am Ende herauskam, war: «Ich musste dich also doch nicht retten.» «Nee. Und ich dich auch nicht.» Und wir haben verlegen gelacht, als wenn das mit dieser besonderen Aufgabe nur ein einziger Riesenwitz gewesen wäre. Und dann haben wir beide geschwiegen, denn was hätten wir schon sagen können? Tut mir leid, ich hab’s vermasselt? Scheint, ich hab deine himmlische Aufgabe verkorkst? Echt klasse.
    «Hallo», sagt er jetzt und ist ein wenig außer Atem.
    «Hallo.»
    «Schöner Hut», sagt er, doch sein Blick wandert sofort zu meinem Haar, als bestätige ihm der Anblick meiner richtigen Haarfarbe jedes Mal, dass ich das Mädchen aus seinen Visionen bin.
    «Danke», bringe ich heraus. «Ich bin heute inkognito hier.»
    Er runzelt die Stirn. «Inkognito?»
    «Du weißt schon. Die Haare.»
    «Aha.» Er hebt die Hand, will anscheinend die widerspenstige Haarsträhne berühren, die sich schon aus meinem Mozartzopf gelöst hat, stattdessen ballt er jedoch die Hand zur Faust und lässt sie sinken. «Wieso färbst du die Haare nicht einfach wieder?»
    «Hab ich versucht.» Ich mache einen Schritt zurück und schiebe mir die vorwitzige Strähne hinters Ohr. «Sie nehmen die Farbe nicht mehr an. Frag mich nicht, wieso.»
    «Seltsam», sagt er und verzieht die Mundwinkel zur Andeutung eines Lächelns, das mein Herz im vergangenen Jahr noch wie Butter hätte schmelzen lassen. Er ist heiß. Er weiß, dass er heiß ist. Ich kann den Blick nicht von ihm wenden. Er weiß, dass ich den Blick nicht von ihm wenden kann, und trotzdem steht er da und lächelt einfach bloß. Das macht mich wütend. Ich gebe mir alle Mühe, nicht an den Traum zu denken, der mich die ganze Woche schon verfolgt, will nicht daran denken, dass Christian in diesem Traum das Einzige ist, was mir hilft, nicht total den Verstand zu verlieren. Will nicht an die Worte Wir gehören zusammen denken, diese Worte, die mir in meiner Vision immer und immer wieder in den Sinn kamen.
    Ich will nicht zu Christian Prescott gehören.
    Das Lächeln verblasst, sein Blick wird wieder ernst. Er sieht aus, als wolle er etwas sagen.
    «Na dann, bis später mal», verabschiede ich mich, vielleicht ein bisschen zu fröhlich, und gehe aufs Gebäude zu.
    «Clara …» Er kommt hinter mir her. «Warte doch. Ich hab gedacht, wir könnten uns vielleicht beim Mittagessen zusammensetzen, ja?»
    Ich bleibe stehen und starre ihn an.
    «Oder auch nicht», sagt er, und dann macht er etwas, das für ihn typisch ist, nämlich lachen und gleichzeitig ausatmen. Mein Herzschlag legt an Tempo zu. Ich bin nicht mehr an Christian interessiert, aber die Botschaft scheint in meinem Herzen noch nicht angekommen zu sein. Mist. Mist. Mist.
    Manches ändert sich. Manches nicht, schätze ich.

    Allen fällt mein Haar auf. Natürlich. Aber ich hatte gehofft, dieses Auffallen würde ruhig vor sich gehen, leises Geraune, ein paar Tage einiges an Gerüchten, dann hätte es sich erledigt. Aber kaum bin ich zwei Minuten in der ersten Stunde, wir haben Französisch, als die Lehrerin verlangt, dass ich den Hut abnehme, und dann schlägt es ein wie eine Atombombe. «So hübsch, so hübsch», wiederholt Miss Colbert ständig und ist nur einen Hauch davon entfernt, zu mir rüberzukommen und mir über den Kopf zu streichen. Ich bleibe bei der Geschichte, die ich mir vor ein paar Tagen mit meiner Mutter zusammen ausgedacht habe, nämlich dass sie im Sommer in Kalifornien eine unglaubliche Farbkünstlerin gefunden und ihr eine astronomische Summe gezahlt hat, damit sie meinen Albtraum aus Orange in ein atemberaubendes Rotblond verwandelt. Das alles in gebrochenem Highschool-Französisch zu erklären, obwohl ich die Sprache doch fließend beherrsche, ist an diesem Vormittag der ganz besondere Spaß. Es
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