Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
...und plötzlich war alles ganz anders... (Kriminalromane) (German Edition)

...und plötzlich war alles ganz anders... (Kriminalromane) (German Edition)

Titel: ...und plötzlich war alles ganz anders... (Kriminalromane) (German Edition)
Autoren: Olaf Borkner-Delcarlo
Vom Netzwerk:
seiner im Dienst antrainierten Selbstbeherrschung zu verdanken, dass er nicht laut aufschrie. Das Foto gleich auf dem Deckblatt ließ ihm das Blut in den Adern erstarren. Es war seine Schwester, die da lag. Verdreckt, der Mund voller vermodertem Laub; man hatte sie so fotografiert, wie man sie damals ausgegraben hatte.
    Die vier Männer hatten sich nicht viel Mühe gegeben ihre Untat zu verstecken. Unter einem Laubhaufen hatten sie sie verscharrt, kaum dass sie eine Grube ausgehoben hatten, die tief genug gewesen wäre, den Leichnam aufzunehmen. Mit der linken Hand musste er die untere Hälfte des Fotos verdecken. Er konnte den Anblick dieses geschundenen Körpers nicht ertragen. Bereits am Tag ihres Verschwindens wurde sie von einem Jäger gefunden, der auch sofort die Polizei anrief. Martelli fand, dass die Ermittlungen nur sehr schlampig geführt worden waren, damals vor vierundzwanzig Jahren.
    ***
    Natürlich hatte man 1971 noch nicht über entsprechende Methoden verfügt, dennoch hätte man sich die vier Burschen etwas genauer ansehen müssen. Sie stützten sich gegenseitig auf ihre Alibis, die leicht hätten widerlegt werden können. Als jedoch der schwächste von ihnen kurz nach seiner Vernehmung starb, da ließ sich kein Keil mehr zwischen sie treiben. Drei Monate später legte man die Akte beiseite. Und Martelli fragte sich, ob er damals anders gehandelt hätte. In seiner Kindheit, die Jungs im Dorf hatten ihm mit hämischen Blicken erzählt, dass schon jeder von ihnen über Maria drübergerutscht sei. So drückten sie sich aus, aber er wollte das einfach nicht glauben. Aber selbst wenn das alles wahr gewesen wäre, so hatte niemand das Recht, sie so erbärmlich zuzurichten. Niemand im Büro und keiner seiner Bekannten und Freunde wusste, dass er kurz nach dem Tod seiner Schwester von einer Familie Brockmann adoptiert worden ist. Anfang der siebziger Jahre handhabten die Standesämter solche Informationen noch sehr vertraulich. Selbst seine Mutter hätte niemals herausbekommen können, wer seine Adoptiveltern waren, abgesehen von dem Umstand, dass sie das auch nur extrem perifer tangiert hätte. Um ganz sicher zu gehen, nahm er bei seiner Eheschließung den Namen seiner Frau an.
    Seit er damals aus dem Internat entlassen wurde, wollte er nur eines, den Namen Wagedorn loswerden. Er wusste, dass seine Mutter eine stadtbekannte Hure war, die sich ihr Geld mit gelegentlichen Liebesdiensten verdiente. Seinen Vater hatte er nicht gekannt. Gleich nach seiner Geburt hatte er sich vom Acker gemacht und ist nie wieder aufgetaucht. Als es gar zu schlimm wurde, hatte ihn das Jugendamt in ein Heim und dann, als seine schulischen Leistungen besser wurden, in ein Internat gesteckt. Nur zu den Ferien durfte er seine Mutter in Reinberg besuchen und selbst zu diesen seltenen Gelegenheiten musste er in einer staatlichen Einrichtung schlafen, durfte nicht in der Obhut seiner Mutter bleiben. Sie selbst hielt es nie für nötig ihn zu besuchen. Wie hätte sie auch können? Sie lag ja die meiste Zeit ihres Lebens unter irgendeinem Tresen und schlief ihren Rausch aus. Oder, was noch schlimmer war, sie befand sich in dem Bett irgendeines Mannes, um sich die nächste Dröhnung zu verdienen.
    Als damals seine Schwester beerdigt wurde, da durfte er mit auf den Friedhof. Aber nicht einmal zu dieser Gelegenheit brachte es seine Mutter fertig, nüchtern zu bleiben. Sie greinte um ihre Tochter, um die sie sich nie gekümmert hatte. Ihren Sohn nahm sie gar nicht wahr. Seine Schwester war die einzige die ihn regelmäßig im Kinderheim besuchen kam.
    Maria war ein schönes Mädchen und Robert liebte sie, auch wenn man ihm an seinen kurzen Besuchen im Dorf die schlimmsten Dinge von ihr erzählte. Nein, seine Jugendzeit war nicht gerade erbaulich. Von einem Heim ins andere schickte man ihn, bis er dann endlich auf dem Internat landete. Aber trotzdem fühlte er so etwas wie Liebe für seine Mutter. Vielleicht hatte auch der Mann an ihrem Schicksal Schuld, der Mann, der sie mit zwei Kindern hat sitzen lassen.
    ***
    In Hamburg angekommen, nahm er sich kein Taxi, sondern versuchte mit der Metro sein Ziel zu erreichen. Privat finanzierte Dienstreisen sprengten sein Budget, aber dieses Mal musste es sein, diesem Mann wollte er gegenüber sitzen, wenn er ihn mit dieser längst vergangenen Wahrheit konfrontierte.
    Es war nicht schwer die Adresse zu finden, denn Mario Micoliç wohnte in einer feudalen Villengegend, die jedem Hamburger bekannt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher