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...und noch ein Küsschen!

...und noch ein Küsschen!

Titel: ...und noch ein Küsschen!
Autoren: Roald Dahl
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mindestens vier, fünf Sekunden leicht schwankend stehen. Dann stürzte er auf den Teppich.
    Der krachende Aufprall, der Lärm, mit dem der kleine Tisch umfiel – diese Geräusche halfen ihr, den Schock zu überwinden. Sie kehrte langsam in die Wirklichkeit zurück, empfand aber nichts als Kälte und Überraschung, während sie mit zusammengekniffenen Augen den leblosen Körper anstarrte. Ihre Hände umklammerten noch immer die idiotische Fleischkeule.
    Na schön, sagte sie sich. Ich habe ihn also getötet.
    Erstaunlich, wie klar ihr Gehirn auf einmal arbeitete. Die Gedanken überstürzten sich fast. Als Frau eines Polizeibeamten wusste sie genau, welche Strafe sie erwartete. Gut, in Ordnung. Ihr machte das gar nichts aus. Es würde sogar eine Erlösung sein. Aber das Kind? Wie verfuhr das Gesetz mit Mörderinnen, die ungeborene Kinder trugen? Tötete man beide – Mutter und Kind? Oder wartete man bis nach der Geburt? Was geschah mit den Kindern?
    Mary Maloney wusste es nicht. Und sie war keineswegs gewillt, ein Risiko einzugehen.
    Sie brachte das Fleisch in die Küche, legte es in eine Bratpfanne und schob es in den eingeschalteten Ofen. Dann wusch sie sich die Hände und lief nach oben ins Schlafzimmer. Sie setzte sich vor den Spiegel, , ordnete ihr Haar und frischte das Make-up auf. Sie versuchte ein Lächeln. Es fiel recht sonderbar aus. Auch der zweite Versuch missglückte.
    «Hallo, Sam», sagte sie laut und munter.
    Die Stimme klang viel zu gezwungen.
    «Ich hätte gern Kartoffeln, Sam. Ja, und vielleicht eine Dose Erbsen.» Das war besser. Sowohl die Stimme als auch das Lächeln wirkten jetzt natürlicher. Sie probiertees wieder und wieder, bis sie zufrieden war. Dann eilte sie nach unten, schlüpfte in ihren Mantel, öffnete die Hintertür und ging durch den Garten auf die Straße.
    Es war erst kurz vor sechs, und beim Kaufmann brannte noch Licht.
    «Hallo, Sam», sagte sie munter und lächelte dem Mann hinter dem Ladentisch zu.
    «Ach, guten Abend, Mrs.   Maloney. Wie geht’s denn?»
    «Ich hätte gern Kartoffeln, Sam. Ja, und vielleicht eine Dose Erbsen.» Der Kaufmann drehte sich um und nahm eine Büchse vom Regal.
    «Patrick ist heute so müde, dass er keine Lust hat, sich ins Restaurant zu setzen», erklärte sie. «Wir essen sonst donnerstags immer auswärts, wissen Sie, und jetzt habe ich kein Gemüse im Haus.»
    «Und was ist mit Fleisch, Mrs.   Maloney?»
    «Fleisch habe ich, danke. Eine schöne Lammkeule aus der Kühltruhe.»
    «Aha.»
    «Eigentlich lasse ich ja das Fleisch lieber erst auftauen, bevor ich’s brate, aber es wird wohl auch so gehen. Meinen Sie nicht, Sam?»
    «Wenn Sie mich fragen», sagte der Gemüsehändler, «ich finde, dass es gar keinen Unterschied macht. Wollen Sie die Idaho-Kartoffeln?»
    «O ja, die sind gut: Zwei Tüten bitte.»
    «Sonst noch etwas?» Er neigte den Kopf zur Seite und sah sie wohlgefällig an. «Na, und der Nachtisch? Was wollen Sie ihm zum Nachtisch geben?»
    «Hm   … Wozu würden Sie mir denn raten, Sam?»
    Der Mann schaute sich im Laden um. «Wie wär’s mit einem schönen großen Stück Käsekuchen? Den isst er doch gern, nicht wahr?»
    «Ja, , das ist ein guter Gedanke. Auf Käsekuchen ist er ganz versessen.»
    Als alles eingewickelt war und sie bezahlt hatte, verabschiedete sie sich mit ihrem freundlichsten Lächeln. «Vielen Dank, Sam. Auf Wiedersehen.»
    «Auf Wiedersehen, Mrs.   Maloney. Ich habe zu danken.»
    Und jetzt, sagte sie sich auf dem Heimweg, jetzt kehrte sie zu ihrem Mann zurück, der auf sein Abendessen wartete. Und sie musste es gut kochen, so schmackhaft wie möglich, denn der arme Kerl war müde. Und wenn sie beim Betreten des Hauses etwas Ungewöhnliches vorfinden sollte, etwas Unheimliches oder Schreckliches, dann würde es natürlich ein Schock für sie sein. Verrückt würde sie werden vor Schmerz und Entsetzen. Wohlgemerkt, sie
erwartete
nicht, etwas Derartiges vorzufinden. Sie ging nur mit ihren Einkäufen nach Hause. Mrs.   Patrick Maloney ging am Donnerstagabend mit ihren Einkäufen nach Hause, um das Abendessen zu kochen.
    So ist es recht, ermunterte sie sich. Benimm dich natürlich, genauso wie immer. Lass alles ganz natürlich an dich herankommen, dann brauchst du nicht zu heucheln.
    So summte sie denn ein Liedchen vor sich hin und lächelte, als sie durch die Hintertür in die Küche trat.
    «Patrick!», rief sie. «Ich bin wieder da, Liebling.»
    Sie legte das Paket auf den Tisch und ging ins Wohnzimmer. Und
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