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Und immer wieder Liebe Roman

Titel: Und immer wieder Liebe Roman
Autoren: Paola Calvetti
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Abschiedsparty im Büro. Drei Tage muss er noch durchhalten, dann geht er fort. Es ist vorbei.
    Er braucht jetzt Europa, bekannte Gesichter, vernachlässigte Freunde, seine Möbel, seine vier Wände, eine Höhle, in die er sich zurückziehen und ein bisschen Luft holen kann. Er schenkt sich einen Whisky ein und geht unter die Dusche. Bruce Springsteen singt »At night I go to bed but I just can’t sleep«, und er tut
es ihm gleich und klimpert auf einer imaginären Gitarre herum. Seine eigene ist bereits verpackt. »I got something running around my head«, und das Telefon klingelt. Wer zum Teufel ruft denn um diese Uhrzeit an? Seine Gedanken fliegen zu Sarah, mit dieser Angst, die ihn trotz der Pillen nicht verlässt, aber warum nicht auf dem Handy? Er hasst Telefone, was auch immer sie bringen. Als er sich meldet, ist der Hörer schweißnass.
    Die männliche Stimme am anderen Ende der Leitung versetzt ihm einen Schlag, ist ein Knallkörper in seinem schon vom Whisky benebelten Hirn. Aber er hat den Namen zweifellos richtig verstanden. Er erkennt diese Stimme, die er nie zuvor gehört hat.
    »Guten Abend, Signor Virgili, entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie um diese Uhrzeit noch störe. Mein Name ist Mattia Gentili. Ich bin gerade in New York und würde mich gerne mit Ihnen treffen.«
    Ihr Sohn. Ein Junge mit der Stimme eines Mannes. Wie alt wird er jetzt wohl sein? Vierundzwanzig, dreiundzwanzig? Ein paar Jahre älter als Sarah jedenfalls. In der Eile bedenkt er nicht die Folgen seines »Sicher, gerne, morgen habe ich Zeit, lass uns am Empire State Building treffen, passt es dir um eins, weißt du, wo das ist?«
    Alle wissen, wo das Empire State Building ist. Es ist der banalste Ort der Welt, um sich mit jemandem zu treffen und etwas essen zu gehen. Was will dieser Knabe, ausgerechnet hier, ausgerechnet heute? Er wirft sich aufs Bett, erschöpft und noch feucht von der Dusche. Springsteen singt ein raues Wiegenlied, aber er hat keine Lust aufzustehen und die vertraute Stimme abzuschalten. Und jetzt ist auch schon morgen. Er hat keine Zeit, seine Leichtfertigkeit zu bedauern.
    Außerdem ist er neugierig, ja, fast aufgeregt, als das Taxi vor der Touristenschlange hält, die auf den Aufstieg zu Manhattans berühmtester
Terrasse wartet. Mitten in der Menge steht er, leicht zu erkennen, eine getreue Kopie der feinen Gesichtszüge. Sein Blick hat etwas Flehentliches, aber das muss am Licht liegen. Mattia trägt ein kurzärmliges T-Shirt über einem roten Shirt mit langen Ärmeln und leicht abgerissene All-Stars. Er hat den schlaksigen Gang von Männern, die eine bestimmte Größe überschritten haben. Der Mann fühlt sich ein wenig unbeholfen und verwirrt, als würde sie vollkommen unerwartet vor ihm auftauchen. Vorsichtig, aber ohne jeden Argwohn, geht er ihm entgegen.
    Als sie einander gegenüberstehen, befinden sich ihre Augen auf exakt der gleichen Höhe. Instinktiv möchte er ihren Sohn in den Arm nehmen. Was reitet ihn nur?
    »Ich bin Mattia, sehr erfreut«, sagt der Junge und drückt ihm die Hand. Der Mann stammelt etwas über den Wolkenkratzer vor ihnen und dass er in wenigen Wochen seinen fünfundsiebzigsten Geburtstag feiert. »Und wenn wir in den hundertzweiten Stock hochfahren würden, könnten wir New Jersey und auch Connecticut sehen.« Er spricht zu schnell, der Junge wird ihn für einen Klugscheißer halten.
    Plötzlich fühlt er sich müde, als hätte er nicht geschlafen. Dieses bekannte Gesicht vor ihm hat eine verheerende Wirkung auf seinen Gemütszustand. Es versetzt ihn in Schockstarre wie eine Reise ohne Reiseführer und Karten. Mit Sehnsucht hat das nicht viel zu tun. Es ist vielmehr das Schuldgefühl, das ständig wie ein Echo in ihm widerhallt und ihn an seine Fehler, sein Unglück und sein Schicksal erinnert.
    Der Mann und der Junge gehen in ein japanisches Restaurant, um nicht auf der Straße herumzustehen. Der Junge mustert ihn verstohlen und lächelt ihn manchmal verlegen an. In diesem Alter hätte er es niemals gewagt, dieses Tabu zu brechen und den Geliebten seiner Mutter zu treffen. Undenkbar, sie sich in den Armen
von jemandem zu denken, der nicht sein eigener Vater war. Die Dame im grellbunten Kimono reicht ihnen die Speisekarte, als wäre es eine Visitenkarte, und hält mit einer Zange ein kleines, heißes Handtuch bereit.
    »Sushi oderTempura?«
    »Sushi ist okay, ich mag rohen Fisch«, sagt der Junge und lehnt sich zurück, entspannt sich allmählich
    Der Mann tut es ihm nach,
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