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Und im Zweifel fuer dich selbst

Und im Zweifel fuer dich selbst

Titel: Und im Zweifel fuer dich selbst
Autoren: Elisabeth Rank
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gehabt hatten. Kirsche, Zitrone, Schokolade, Mandel und dann noch eine, die immer wechselte. Ich blieb bei Mandel und Kirsche, Vince aß nie Eis, und trotzdem fragte er jedes Mal, ob wir Eis essen gehen. Er sagte immer »wir«. Ich aß Eis, und er kam mit. Manchmal trank er einen Espresso, manchmal einen Tee, auch im Sommer. Ich erinnere mich an seine Unterarme, an die feinen Linien des Stoffes seiner Hosen, an die kleinen Äderchen an seinem Handgelenk, die Waben seiner Haut, sein Lispeln, das nur manchmalherauskam, wenn er müde oder nervös war. Unter der Markise lispelte er nicht.
    Die roten Wimpel über unseren Köpfen flatterten im Wind. Die Stadt rauschte in diesem Sommer, es fuhren unaufhörlich Autos vorbei. Meine Knie lagen in der Sonne und ich fragte mich, warum wir nicht bei all den anderen waren, die in der ganzen Stadt verstreut in großen Haufen Fußball schauten, warum wir nicht bei ihm und Lene in der Wohnung waren oder bei mir. Aus den Fenstern der umliegenden Häuser lärmte es, ein Tor war nicht gefallen, aber vielleicht waren sie wieder einmal kurz davor gewesen. Dann sah Vince mich plötzlich an und sagte: »Pass auf. Es gibt so viele Dinge, von denen ich weiß, mit dir zusammen wären sie großartig. Zum Beispiel mit dem Auto nach Italien zu fahren oder ans Meer, fernzusehen oder sich zu betrinken. Mit dir tanzen zu gehen oder einfach nur spazieren, zu kochen, vielleicht auch einfach nur rumzuliegen, zu flüstern oder zu schlafen. Und wenn ich jetzt mit dir allein fernsehen würde, dann wäre das der Anfang davon, das alles zu wollen. Es würde mich verwirren und mich unsicher machen. Und du weißt genau, dass man nicht einfach nur nebeneinander fernsehen kann, denn um richtig fernzusehen, müsstest du in meinem Arm liegen und den Kopf auf meiner Brust haben. Ich müsste deinen Atem hören und du meinen, und wenn ich lache, dann müsste dir das Bild verwackeln. So in der Art. Und wenn du Durst hast, würde ich dir etwas zu trinken holen, und du müsstest mir danach erklären, was passiert ist, und wahrscheinlich würdest du dabei die Namen der Spieler verwechseln, und ich fände auch dasgroßartig. Deswegen würde ich sofort noch all die anderen Dinge mit dir tun wollen, aber das dürfen wir nicht und das können wir nicht. Wir würden beide nicht mehr ruhig schlafen.« Erleichtert atmete er aus und starrte wieder auf die Straße, vielleicht auch auf das Haus gegenüber, jedenfalls war sein Blick von mir gewichen, und nun war ich es, die ihn entgeistert ansah, denn ich hatte mir das alles unkomplizierter vorgestellt. Ich mochte ihn. Ich mochte ihn sehr. Und um ihn nicht zu sehr zu mögen, wollte ich Zeit mit ihm verbringen. Um mich an ihn zu gewöhnen. Um der Ersttagseuphorie den Garaus und einer Freundschaft einen Anfang zu machen. So hatte ich mir das überlegt, das war mein Plan. Und mit meinem Vorschlag, Fußball zu schauen, war ich wohl über das Ziel hinausgeschossen. Vielleicht hatte ich auch gehofft, dass er mich in den Arm nimmt und das in mir ein Gefühl, eine Reaktion auslöst, irgendeinen Gedanken, der uns voranbringen könnte. Wir mussten uns einigen. Auf eine Freundschaft, eine Affäre, eine Funkstille, eine Bekanntschaft. So, wie es war, konnte es nicht weitergehen. Auch konnte Lene nicht weiter in der Tür stehen und fragen, ob ich wegen ihr oder ihrem Mitbewohner gekommen sei, die Dinge mussten sich klären. Und vielleicht hatten sie das eben getan. »Gut«, sagte ich, und er strich sich mit der Hand über den Bart und trank einen Schluck von seinem Eistee. Fast stach er sich den Strohhalm dabei ins Auge, aber eben nur fast. Und ich schaute von nun an auf die roten Wimpel und mir fiel nichts ein, was wir hätten besprechen können, vielleicht war diese Ahnungslosigkeit voneinander, diese Neugier auf den anderen bis zu demMoment eben auch das Einzige gewesen, das uns verbunden hatte. Außer Lene, die in unser beider Leben eine große Rolle spielte. Vielleicht hatten wir uns bis zu diesem Moment so wunderbar verstanden, weil alles unklar gewesen war. Und jetzt hatte jemand die Scheibenwischer eingeschaltet und die Lage geklärt. Wir saßen da, wortlos, und ich zählte gerade die Wimpel der Markise, als er sagte: »Aber weißt du, warum wir uns weiterhin treffen müssen? Weil wir uns noch in ein paar Jahren kennen werden und ich mich jetzt schon darauf freue. Du kannst nie wissen, was dann sein wird, aber du kannst versuchen, die Menschen zu behalten. Auch die Aufregung, meine
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