Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und fuehre mich nicht in Versuchung

Und fuehre mich nicht in Versuchung

Titel: Und fuehre mich nicht in Versuchung
Autoren: Vera Bleibtreu
Vom Netzwerk:
schlemmen konnte. Doch niemals hätte sie sich diese Köstlichkeiten leisten können, mit denen Jens sie nun verwöhnt hatte und deren speckige Auswirkungen bei einem seitlichen Blick in den Spiegel erschreckend deutlich zu sehen waren. Auch deshalb wäre es ihr lieber gewesen, er hätte sie mit ein wenig mehr Nähe verwöhnt. Denn, so zärtlich er sich auch gab, sie spürte, daß er in Gedanken oft nicht bei ihr war. «Ich gebe zu, unser Urlaub ist auch ein bißchen Arbeitsurlaub», meinte er auf ihre vorsichtige Nachfrage. «Ich muß einfach sehen, wie die Trends laufen, und Paris ist immer noch eine Ideen-schmiede, auch wenn Spanien zur Zeit ungemein aufholt.
    Bitte, Süße, sei nicht sauer, ich liebe dich doch, aber ich muß einfach informiert sein, und das geht am besten mit meiner Zunge und meinem Gaumen.» «Wenn du deine Zunge auch noch in anderen Bereichen einsetzt, soll es mir ja recht sein», schmollte Susanne. Dann lenkte sie aber ein.
    Sie konnte Jens auch verstehen. Die Konkurrenz in der gehobenen Gastronomie war groß, auch in Mainz.
    Besonders mit der seit langem etablierten Goldenen Gans unter der Leitung von Ingo Bauernberg hatte Jens eine veritable Rivalin. In der letzten Ausgabe von Amuse Gueule hatte Bauernberg mit 13 von 20 möglichen Löffeln zwar noch deutlich weniger Anerkennung gefunden als Jens mit seinen 16 Löffeln. Aber ausruhen konnte er sich auf diesen Löffeln nicht. «Da könnte ich gleich den Löffel abgeben», meinte Jens selbstironisch. «Nun, es gibt lang-weiligere Arbeitsessen», Susanne küßte ihren Jens herzhaft, «aber du mußt die gewichtigen Folgen dieser Arbeit auch lieben! Bevor wir jetzt in den nächsten Freßtempel pilgern, möchte ich dir jedoch die Tempel zeigen, die mir in meiner Pariser Zeit wichtig waren, ‹temples› heißen nämlich die evangelischen Kirchen in Frankreich. Und in der freien evangelisch-reformierten Fakultät warst du auch noch nicht mit mir. Dabei ist das kleine Stadtpalais ein entzückender Bau, allerdings direkt neben dem Gefängnis
    ‹Santé›. Deshalb war ich auf dem Heimweg als Studentin immer ganz sicher. Bei so viel Polizei, die das Gefängnis bewachte, konnte einem abends nicht mehr viel passieren.
    Willst du auch noch die Katakomben von Paris an der Place Denfert Rochereau besichtigen, in ihnen befand sich das Zentrum des Widerstands während der Besatzungszeit? In den Katakomben haben sie auch alle Knochen der Pariser Friedhöfe säuberlich aufgestapelt.» «Ach, nein danke, da vergeht mir ja der Appetit», wehrte Jens hastig ab, aber deine Faculté de théologie protestante sehe ich mir gern an.» «Du hast dir ja den Namen gemerkt», meinte Susanne gerührt und nahm ihren Jens in den Arm. Er war schon ein Schatz, aber eben ein Schatz, der mit seinen Gedanken  immer wieder woanders war. «Wahrscheinlich können eine Pfarrerin und ein Gastronom nirgendwo auf der Welt völlig unbeschwert Urlaub machen», dachte Susanne. «Bei jeder Kirche, die wir besichtigen, denke ich an meinen Beruf, und bei jedem Restaurantbesuch beurteilt er unwillkürlich die Qualität der Küche. Wenn es gut läuft, haben wir deshalb viel Verständnis füreinander.»

    * * *
    Die Empfangsdame in der Zentrale von «Mainz-Glas»

    führte Tanja ins Büro von Dr. Brandes. «Schmidt, Kriminalpolizei. Ich ermittle im Mordfall Steffen Vogel», erläuterte Tanja knapp. «Können Sie mir Näheres über ihn erzählen?» Dr. Brandes war vorbereitet, er hatte die Zeit seit dem Anruf der Polizei, die ihn über den gewaltsamen Tod seines ehemaligen Mitarbeiters informierte, offensichtlich genutzt. Er warf nur einen kurzen Blick auf die Personalakte, die aufgeschlagen vor ihm lag. «Vogel war seit 1985 bei uns, in der Produktentwicklung. In den letzten Jahren hat er an der Entwicklung eines besonders harten und zugleich leichten Glasmaterials gearbeitet. Die Einzelheiten dürften Sie nicht interessieren, nur soviel: Vogel ist es gelungen, ein Material zu entwickeln, das sogar Explosionen in unmittelbarer Nähe übersteht. Das Glas ist schußfest und splittert nicht. Dank dieser Entwicklung ist unsere Position in der Glasproduktion noch einmal deutlich gefestigt worden – und das ist bei der Konkurrenz im Bereich Glas, allein schon hier in Mainz, denken Sie an SCHOTT-Glas – entscheidend wichtig. Die Nachfrage nach dem neuen Glas ist so groß, daß wir mit der Produktion kaum nachkommen.» «Und Vogel hat die ses Glas erfunden?» fragte Tanja ungläubig. «Natürlich in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher