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Und der Herr sei ihnen gnädig

Und der Herr sei ihnen gnädig

Titel: Und der Herr sei ihnen gnädig
Autoren: Faye Kellerman
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sie.
    »Wenn das Mädchen innerhalb von drei Tagen zur Polizei geht, wird ihr nichts passieren«, erklärte ich. »Bitte geben Sie das weiter.«
    »Ja, mach ich.«
    »Das ist wirklich so, Alice Anne. So lautet das Gesetz.« »Ja, ich weiß, wie viel Verlass auf das Gesetz ist.« Wieder spuckte sie aus.
    »Also, wenn Sie irgendwas hö...« »Jaja.«
    Ich fixierte sie, bis sie mich ansah. »Sie verschweigen mir doch nichts, oder?«
    Alice Anne tat entsetzt. »Wo denken Sie hin, Officer Cindy. Ich bin vielleicht eine verrückte Pennerin. Ich habe harte Zeiten hinter mir und trinke zu viel Fusel, weil dieser alte Körper oft so weh tut. Aber ich bin noch nicht völlig blödgesoffen, und ich mag keine Babymörderinnen. «
    Elegant ausgedrückt. Ich seufzte. »Wollen Sie, dass ich Sie festnehme?«
    Alice Anne starrte mich verblüfft an.
    »Drei Quadratmeter und eine heiße Dusche«, erklärte ich.
    »Nein.« Sie kauerte sich unter ihrer Decke noch mehr zusammen. »Nein, aber danke für das Angebot. Wenn Sie in wohltätiger Laune sind, können Sie mir gern noch mehr Geld geben.«
    Ich holte fünf Dollar heraus und hielt sie ihr hin. »Vertrinken Sie nicht gleich alles auf einmal«, ermahnte ich sie.
    Lachend schloss sie die Augen.
    Da es nichts weiter zu sagen gab, richtete ich mich auf und überließ sie ihren hoffentlich angenehmeren Gedanken.

3
    Um halb eins war ich geduscht und in Zivil auf dem Weg nach Hause. Die Kehrtwende geschah ganz automatisch. Mir wurde erst so richtig bewusst, dass ich gewendet hatte, als ich längst in die entgegengesetzte Richtung fuhr.
    Zum Krankenhaus natürlich. Der Gedanke an dieses winzige Bündel, das zurückgelassen worden war, um am Montagmorgen von der Müllabfuhr abgeholt zu werden, ließ mich einfach nicht los. Ich musste sie in einer anderen Umgebung wiedersehen: wohl behütet in eine Decke gehüllt, warm und satt.
    Das Mid-City Pediatric lag nur etwa drei Kilometer östlich von dort, wo der Säugling ausgesetzt worden war. Es handelte sich um ein Medicaid-Krankenhaus, was bedeutete, dass die meisten der dort behandelten Kinder arm waren. Trotz ihrer Lage besaß die Klinik einen sehr guten Ruf.
    Das fünfstöckige Gebäude wirkte modern und zweckmäßig. Zu dieser späten Stunde herrschte relativ wenig Betrieb. Der uniformierte Wachmann am Eingang machte einen gelangweilten Eindruck.
    Drinnen am Empfang meldete ich mich bei einer älteren Dame an, deren Augen hinter ihren dicken Brillengläsern stark vergrößert wirkten. »Zwei Sanitäter - Crumack und Hanover - haben vor etwas mehr als zwei Stunden ein neugeborenes Mädchen gebracht. Ich bin die Polizistin, die die Kleine gefunden hat. Wenn möglich, würde ich sie gern sehen. Ich möchte mich nur davon überzeugen, dass es ihr gut geht.« Ich zog meine Polizeimarke heraus und zeigte sie ihr. Sie bat mich zu warten.
    Nach einer Weile trat ein rothaariges, koboldhaftes Persönchen Anfang zwanzig auf mich zu. Auf ihrem Namensschild stand Mar-nie Sears, R. N., M. N. Sie forderte mich lächelnd auf, ihr zu folgen. Vielleicht war ich ihr sympathisch, weil wir beide leuchtend rotes Haar hatten. Damit endete die Ähnlichkeit aber auch schon. Sie sah klein, zierlich und süß aus - ganz anders als ich. Kein Wunder, mein Vater war eins dreiundneunzig groß und wog gut hundertzehn Kilo. Ich hatte im vergangenen Jahr ziemlich viel abgenommen - aber nicht aufgrund einer Diät. Mein Appetitzügler waren immer wiederkehrende Albträume von abtrünnigen Polizisten, die versuchten, mich über den Rand einer Klippe zu stürzen. Mein Therapeut meinte, die menschliche Psyche brauche einfach Zeit, um die Wunden zu heilen. Ich wartete immer noch, machte mir aber keine großen Hoffnungen.
    Der Ehrlichkeit halber sollte ich vielleicht sagen, dass es langsam bergauf ging. Auf jeden Fall war mein Appetit zurückgekehrt, und ich wirkte zumindest nicht mehr so hager. offen gestanden hatte ich selbst nichts dagegen, auszusehen wie ein magersüchtiges Model, aber meine Eltern machten sich damals große Sorgen um mich. Die paar Pfunde, die ich inzwischen zugelegt hatte, ließen mein Gesicht weicher wirken. Das Wichtigste aber war, dass ich wieder ein Käsesandwich essen konnte, ohne Magenschmerzen zu bekommen.
    Marnie und ich fuhren mit dem Aufzug in die Neugeborenenstation hinauf. Sie informierte mich darüber, dass es dem Baby gut gehe und seine Temperatur wieder normal sei.
    »Sehr gut.«
    »Sie wollen bloß schnell nach ihr sehen, oder?« Ich nickte.
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