Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und der Herr sei ihnen gnädig

Und der Herr sei ihnen gnädig

Titel: Und der Herr sei ihnen gnädig
Autoren: Faye Kellerman
Vom Netzwerk:
erdrückt werden können. Es ist wirklich gut gelaufen.« Sie tätschelte mir die Schulter. »Und Sie haben dazu beigetragen.«
    Ich spürte, dass ich feuchte Augen bekam. »Sagen Sie das lieber Senor Delacruz«, antwortete ich. »Er hat gute Ohren.«
    Der Mann konnte genug Englisch, um ein Kompliment zu verstehen. Er lächelte breit. »Wie lange, meinen Sie, hat sie schon da drin gelegen?«, wandte ich mich erneut an die Sanitäter.
    »Ihre Körpertemperatur war noch nicht sehr stark gesunken«, antwortete Hanover. »Natürlich hat der ganze Müll wie eine Wärmeisolierung gewirkt. Trotzdem würde ich sagen, nicht allzu lang.«
    »Können Sie ein bisschen konkreter werden?«, fragte ich. »Zwei Stunden? Vier Stunden?«
    »Eher vier«, schaltete sich Crumack ein. »Maximal sechs.«
    Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr. Es war halb elf. »Demnach wurde sie so gegen vier, fünf Uhr nachmittags da reingeworfen?«
    »Könnte hinkommen.« Crumack wandte sich an ihren Partner. »Jetzt aber los!« »Mid-City Pediatric?«, fragte ich noch einmal zur Sicherheit.
    Hanover nickte. Dann stiegen sie ein und fuhren mit Blinklicht und Sirene los. Meine Arme fühlten sich plötzlich ganz leer an. obwohl ich selten einen Gedanken an meine biologische Uhr verschwendete - schließlich war ich erst achtundzwanzig -, ergriffen mich auf einmal mütterliche Gefühle. Es tat gut, Trost zu spenden. Vor langer Zeit war das wohl der Hauptgrund gewesen, warum ich mich dazu entschlossen hatte, Polizistin zu werden.
    Den letzten Ausschlag hatte natürlich mein Vater gegeben.
    Er war dagegen gewesen, dass ich zur Polizei ging, und da ich eine störrische Tochter war, hatten seine Vorbehalte das Gegenteil bewirkt. Damals war es deswegen zu Spannungen zwischen uns gekommen, aber das hatte sich inzwischen gelegt.
    Ich griff nach meinem Funkgerät und forderte einen Detective an.

2
    »Wann ist der Müll zum letzten Mal geleert worden... ich meine, bevor Mr. Delacruz das Baby hörte?«
    Ich sprach mit Andre Racine, dem stellvertretenden Küchenchef des Tango. Er war etwa sieben Zentimeter größer als ich, also ungefähr eins achtzig, hatte breite Schulter und einen Bauchansatz, der bereits ein wenig über die gekreuzten Bänder seiner Schürze hing. Seine leicht schief sitzende Mütze sah aus wie ein Souffle. Wir standen nicht weit vom Hintereingang entfernt, damit ich ein Auge darauf haben konnte, was draußen vor sich ging.
    »Derr Müll wirrd abends gelerrt. Manchmal liegt err zwei Tage, nie längerr.«
    »Die Hintertür stand zu dem Zeitpunkt offen«, stellte ich fest. »Trotzdem haben Sie niemanden weinen oder hier hinten herumwühlen hören?«
    Der Mann schüttelte den Kopf. »In einerr Küche ist es serr laut, wenn alle Maschinen und Gerräte laufen. Da bin ich schon frroh, wenn ich mein eigenes Worrt verrstehe!« Ich hatte bereits mit mehreren anderen Küchenangestellten gesprochen, und sie hatten alle dasselbe gesagt. Außerdem konnte ich mich gerade persönlich davon überzeugen. Zum üblichen Rattern und Piepsen der Küchengeräte kam die laute Salsamusik eines spanischen Radiosenders. Gekrönt wurde das Ganze von einer Liveband, die im
    Restaurant spielte - einer Jazzcombo mit E-Gitarre, Bass, Piano und Schlagzeug. Der Krach hätte mich in den Wahnsinn getrieben, aber die hier arbeitenden Männer waren wohl froh, in diesen harten Zeiten überhaupt einen festen Job zu haben.
    Obwohl die Hintertür offen stand, war das Fliegengitter geschlossen, damit keine Nagetiere oder vorwitzigen Fluginsekten in die Küche gelangen konnten. Das Drahtgitter erschwerte die Sicht nach draußen. Mir fiel nichts Verdächtiges auf. Alle diese Leute waren nach draußen geeilt, um zu helfen. Die meisten wirkten müde, der Vorfall hatte sie genauso mitgenommen wie mich. Ich dankte dem erstaunten Küchenchef für seine Hilfe und trat nach draußen, um mich ein wenig zu sammeln und meine Notizen zu ordnen. Mein Dienst war fast zu Ende, und ein Detective mit Goldplakette war unterwegs, um die Ermittlungen zu übernehmen. Ich begann die Namen der von mir bereits befragten Männer alphabetisch aufzulisten. Hinter jeden Namen schrieb ich die Position und Telefonnummer des Betreffenden. Ich wollte dem zuständigen Detective etwas an die Hand geben... etwas, das ihn beeindrucken würde.
    Wie sich ein paar Minuten später herausstellte, handelte es sich um Greg Van Horn. Er parkte mit seinem Streifenwagen sämtliche Fahrzeuge hinter dem Tango zu, einschließlich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher