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Und abends etwas Liebe

Und abends etwas Liebe

Titel: Und abends etwas Liebe
Autoren: Mary Scott
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Mit siebzehn Jahren waren meine Schwestern schon besonders hübsch und auch raffiniert gewesen. Sie gingen zum Tanz und dachten daran, zu heiraten. Dieses Mädchen aber war nicht einmal hübsch gekleidet.
    Fast tonlos bemerkte ich: »Nein, davon war mir nichts bekannt.« Dann zögerte ich. Heutzutage sollte man über Dinge wie Scheidungen deutlich und sachlich sprechen können. Aber ich mochte Tony einfach nicht über die Wiederheirat ihrer Mutter und ihren Stiefvater ausfragen. Aber das Mädchen litt unter derartigen Hemmungen überhaupt nicht. Nachdenklich blickte sie vor sich hin, als sie sagte: »Ja, ein Professor. Sie sind schon so lange befreundet, wie ich zurückdenken kann, und heirateten vor zehn Tagen.«
    »Magst du ihn?« fragte Larry. Tony dachte einen Moment nach, bevor sie antwortete.
    »Nein, nicht so besonders, aber wahrscheinlich deswegen, weil er sich nicht mit mir beschäftigen mag. Er glaubt, ich sei blöde und dumm, und ich glaube, er ist ein eingebildeter Pedant.«
    Ohne jeden bitteren Unterton fuhr Tony fort: »Natürlich haben wir beide die Sache falsch angefangen, obwohl ich nie Macgregors Typ war. Ich hielt zu meinem Vater. Ihn mochte ich wirklich gern.«
    Die außergewöhnliche Objektivität, die in dieser Bemerkung lag, erschreckte mich so, daß mir der Teewärmer aus der Hand fiel. Larry dagegen gab sich völlig ungerührt. Sie meinte: »Ja, ich glaube schon, daß das alles die Sache etwas schwierig macht.« Über diese Untertreibung hätte ich fast lachen müssen.
    Aber Tony meinte sehr ernst: »Oh, ganz bestimmt sogar. Bei Robert, meinem Bruder, der vier Jahre älter ist als ich, lagen die Dinge ganz anders. Er ist tüchtig, sieht gut aus und ist außerdem sehr stolz darauf, Arzt zu sein. Er wohnt nicht mehr zu Hause, und so interessiert es ihn schließlich nur recht wenig, wie viele Männer Mutter heiratet.«
    Diese Art, die Dinge zu sehen, erschien mir ein wenig komisch. Und Claudia gegenüber eigentlich sehr hart. Larry fragte nur: »Aber macht dir das was aus?« Sie scheint ihre Mitmenschen nie vor den Kopf zu stoßen, wenn sie Fragen stellt, weil sie immer den Eindruck macht, als frage sie eher aus Interesse als aus Neugier.
    Tony dachte kurz darüber nach. »Alles wäre in Ordnung gewesen, wenn ich weiter zur Schule gegangen wäre. Meine Schule war hundert Meilen von zu Hause weg, und als Internatsschülerin hätte ich Macgregor kaum zu Gesicht bekommen.«
    »Macgregor«, wiederholte Larry fasziniert. »Ist er wirklich so, wie sein Vorname? Düster und so regelrecht keltisch?«
    »Beängstigend, und dazu noch sehr tüchtig. Mutter ist jetzt so richtig in ihrem Element, aber ich selbst halte das Ganze für eine ziemlich verrückte Geschichte. Mutter geht stark auf die Fünfzig zu, und Macgregor ist noch älter als sie. Er ist Witwer. Zum Glück keine Kinder, aber dann hätte Mutter ihn ja auch wohl kaum geheiratet.«
    Ich hatte das unglückliche Gefühl, diese Erklärung stamme von Claudia selbst. Ich dachte, diese Meinung klinge doch sehr kaltherzig. In diesem Augenblick war die Ablenkung durch die beiden Kleinsten sehr willkommen, die unerwartet damit aufgehört hatten, im Sandkasten zu spielen. Sie standen plötzlich in der Tür und starrten die Fremde mit verzückten Augen an. Prudence rief aus: »Nett! Hübsches Haar«, und wir alle mußten lachen. Ich bestach sie mit Keksen, um sie wieder nach draußen zu befördern, und sofort kam Tony auf das zurück: »Zu Hause wird es schrecklich werden. Deshalb bin ich ausgerissen.«
    Nicht mehr und nicht weniger. Ganz gleich, wie die Dinge lagen, dachte ich, auch für uns wird das Ganze eine ziemlich komplizierte Geschichte sein.
    »Wie hast du es denn fertiggebracht, allein und ohne Hinweise zu uns zu finden?«
    »Ach, das war nicht schwer. Die Leute waren so hilfsbereit und nett.« Ich sah ein, daß die Leute sich diesem kindlich hilflos wirkenden Wesen gegenüber einfach hilfsbereit zeigen mußten. Sie fuhr fort: »Ich hatte noch hundert Pfund, die Vater mir schickte, als ich von der Schule abging. Er hält sich sechs Monate lang in Übersee auf, ich konnte also nicht zu ihm gehen. Und das Geld schickte er mir, ohne Mutter davon auch nur ein Sterbenswörtchen zu sagen.«
    Larry warf ein: »Als du die Schule verlassen hast? Aber Tony, wie alt bist du eigentlich?«
    »Schon über siebzehn, aber sagen Sie jetzt bitte nicht,  ich sähe nicht danach aus. Das geht mir so auf die Nerven. Es ist nun einmal schwer, plötzlich erwachsen zu
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