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Und abends etwas Liebe

Und abends etwas Liebe

Titel: Und abends etwas Liebe
Autoren: Mary Scott
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sein, wenn man in einem Internat eingesperrt war, eine Uniform tragen mußte, keinen Lippenstift benutzen durfte, den Jungs nicht schreiben durfte... also alle die Dinge, die ein normales Mädchen so tut. Davon habe ich nach sieben langen Jahren endgültig genug, und erst Weihnachten im letzten Jahr gab ich auf.«
    Sieben Jahre. Das hörte sich nach schwerem Kerker an. Und sie hatte gesagt, die Schule sei hundert Meilen weit entfernt gewesen. Das war alles sehr merkwürdig; schließlich hatten ihr nur zwei Monate zur Verfügung gestanden, erwachsen zu werden. In dieser Zeit war sie aber nicht sehr weit gekommen. Larry sagte: »Ach, du wirst schon sehr bald erwachsener werden. Erzähl doch bitte weiter.«
    »Na ja, Daddy schickte mir die hundert Pfund. Er schrieb mir, er werde für sechs Monate verreist sein. Wenn ich aber genau wie er, feststellen sollte, es sei besser, auszureißen, dann würde er mir gerne mehr schicken. Dann schrieb er noch, er wünschte, er wäre da, so daß ich zu ihm laufen könnte. Was ich von dem Farmer, dem Onkel in Neuseeland, halten würde? Vielleicht wären diese Leute die richtigen Menschen für mich!«
    Ich schluckte einmal kurz. Tony setzte ihre Schilderung fort: »Daddy muß gewußt haben, daß Macgregor bei Mutter auf der Liste ganz obenan stand. Oder vielleicht wußte er ganz einfach, daß Macgregor und ich nie miteinander auskommen würden. Also behielt ich die ganze Sache für mich, und als Mutter dann Macgregor heiratete, beschloß ich, das zu tun, was Daddy mir vorgeschlagen hatte. Ich kam zu euch herüber.«
    »Aber... wie hast du das denn gemacht?« Ich konnte mir nicht vorstellen, wie dieses Mädchen eine Flugreise arrangierte.
    Sie sagte: »Wißt ihr, da war noch die alte Annie. Sie arbeitet seit Urzeiten als Dienstmädchen bei uns. Wir mögen uns gegenseitig sehr. Als ich ihr von Daddys Brief erzählte, riet sie mir, den Versuch zu machen. Sie wollte mir dabei helfen, so gut sie konnte. Also gab ich ihr das Geld, und sie buchte meinen Flug.«
    Ich seufzte und bot ihr noch etwas Gebäck an. Ich bin nicht gerade romantisch veranlagt, und in kritischen Situationen beginne ich schon sehr bald, praktisch zu denken.
    »Aber... deine Familie?« Larry seufzte. Sie war doch etwas bestürzt. »Och, darüber habe ich nicht besonders nachgedacht. Sie waren auf Hochzeitsreise gegangen, und die nächsten vierzehn Tage werden sie auch noch nicht zurückkommen. Ich bestieg das Flugzeug. Annie brachte mich zum Flughafen und weinte beim Abschied. Ich haßte es, sie verlassen zu müssen.«
    Das Ganze klang sehr traurig, so als sei das alte Dienstmädchen wirklich der einzige Mensch, den Tony auf dieser Welt hatte. Auch Larry empfand das so, und aufgeräumt meinte sie: »Aber hier...? Wie hast du uns nur gefunden, und womit?« Das war genau die Frage, die ich nicht gerne gestellt hätte. Warum war sie nicht zu irgendwelchen ihrer australischen Freunde gegangen, anstatt das Risiko mit einer völlig fremden Verwandtschaft einzugehen?
    In ihrer geraden Art sagte sie: »Na, wenn ich zu australischen Freunden gegangen wäre, hätten die mich ja doch wieder nach Hause zurückgeholt. Mutter hätte nie zugelassen, daß andere Leute glaubten, sie möge mich nicht. Sie ist immer sehr auf das Äußere und ihren Ruf bedacht.« Aus dieser Bemerkung klang nicht die geringste Verbitterung. Die Worte schienen wie eine sachliche Feststellung über Claudia und ihre Art. Dann Tony: »Aber nach Neuseeland zu fliegen, um dort meinen Onkel zu besuchen, hört sich doch durchaus normal und verständlich an. Hier das Land sehen zu wollen und dergleichen. Außerdem hatte mir Daddy ja auch diesen Rat gegeben. Und obwohl Onkel Paul nicht so oft schrieb, hatte er uns ein paar Schnappschüsse von Susan, den Kindern und dem Haus geschickt. Ich hatte das Gefühl, hier würde ich hingehören.«
    In dem letzten Satz lag etwas Endgültiges, Selbstverständliches. Und ich meinte mit schwacher Stimme: »Aber — hier so einfach direkt vor unserer Tür anzukommen, ohne jede Hilfe und nur mit unserer Adresse in der Tasche...« Bei den meisten Mädchen in ihrem Alter wäre diese Reise nichts Besonderes gewesen. Aber Tony schien noch so jämmerlich jung.
    »Alle waren so furchtbar nett zu mir. Eine Frau im Flugzeug erzählte mir von einer Pension in Auckland, und dort übernachtete ich abends. Dort traf ich einen Mann, der diesen Teil der Erde wie seine Westentasche kennt, ein Vertreter, glaube ich. Er sagte mir, wie ich den Bus
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