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Unberuehrbar

Unberuehrbar

Titel: Unberuehrbar
Autoren: Franka Rubus
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regelrechter Spaziergang.
    Cedric richtete sich auf. »Wir haben Abbauprodukte von BRA-45 und BRA-46«, erklärte er sachlich. »Du weißt noch, was das bedeutet?«
    Hätte Frei gekonnt, sie hätte die Zähne zusammengebissen.
    Die, die wirken wie lokale Amphetamine?
    Wie hätte sie das vergessen können? Cedric hatte diese Rückstände auch in den Zellen ihres Herzens gefunden. Als er sie entfernte, hatte sie geglaubt, innerlich verbrennen zu müssen.
    Cedric nickte. »Deine Nervenenden sind völlig überreizt. Vermutlich wirst du Schmerzen haben.«
    Die habe ich doch sowieso.
    Und im Bein würde es hoffentlich nicht so schlimm werden wie am Herzen.
    Cedric schwieg einen Moment. Dann verstärkte sich der Druck seiner Finger an Freis Haut. »Ich fange jetzt an.«
    Ja, bitte.
    Denn wenn sie dadurch die anderen Schmerzen loswurde – die, die sie Nacht für Nacht drängten, sich das Bein einfach auszureißen –, würde sie diese Qualen nur zu gern ertragen.
     
    Sie konnte nie sagen, wie lange es dauerte. Ab einem gewissen Punkt der Behandlung verschwamm jedes Mal die Zeit, strömte davon und spülte die Wirklichkeit mit sich fort, während sie in diesem Körper gefangen war, der sich winden und schreien wollte, es aber nicht konnte. Irgendwann ließ Cedric sie los. Die Lähmung verschwand und ließ Frei schwach und zittrig zurück. Sie spürte ihr Bein nicht mehr. Aber das war besser als die Schmerzen. Viel besser.
    Cedric half ihr, sich hinzusetzen, und reichte ihr eine zweite Blutkonserve. Aber selbst für ihren Jagdtrieb fehlte Frei jetzt die Kraft. Hungrig saugte sie das kalte Blut aus dem Plastikbeutel, ohne sich darum zu kümmern, dass es aus ihren Mundwinkeln über ihr Kinn rann und ihr ohnehin schon schmutziges Nachthemd noch mehr befleckte.
    Cedric beobachtete sie aufmerksam. »Das Problem ist«, sagte er sehr ruhig, »dein Drang, dich selbst zu verletzen.«
    Frei hielt inne und sah auf. Blut quoll aus der Konserve und lief über ihre Hand. Sie hatte längst nicht mehr mit einer Antwort auf ihre Frage gerechnet – und vor allem nicht mit dieser. »Was kümmert es dich denn, was ich mit mir selbst tue?«, murmelte sie.
    Cedric schüttelte den Kopf und stand auf. »Ich traue jedem meiner Mitarbeiter zu, sich gegen dich zu schützen. Aber dir nicht. Und solange du hier in White Chapel bist, bin ich für dich verantwortlich – ob dir das nun gefällt oder nicht. Trink aus.«
    Frei starrte ihn weiter an. Ja, natürlich, dachte sie. Es war seine Forschungsstation. Also stimmte das mit der Verantwortlichkeit wohl in gewisser Weise. Für ihn wäre es vermutlich besser gewesen, sie los zu sein. Der Gedanke schmeckte bitter. Aber gut, das konnte er haben. Sie wollte ja auch nicht hierbleiben. Ohne einen weiteren Kommentar leerte Frei den letzten Blutrest aus der Konserve in ihren Mund. Plastik und Chemie. Ekelhaft.
    Cedric schüttelte erneut den Kopf. »Ich erlaube nicht, dass du versuchst, dich zu töten, Frei. Und ich lasse dich erst aus dieser Zelle, wenn ich überzeugt bin, dass du es nicht tun wirst.«
    Frei ließ den leeren Plastikbeutel zu Boden klatschen. Sie hätte widersprechen können. Sie hätte behaupten können, dass sie gar nicht sterben wollte. Aber Cedric hätte ihr doch nicht geglaubt. Und das zu Recht.
    »Ich hasse dieses Leben«, flüsterte sie und starrte auf ihre Füße, auf die im fahlen Mondlicht graue Haut mit den dunklen Adern, die Zehen und Spann überzogen wie ein groteskes Spinnennetz. »Ich hasse die Dunkelheit. Ich will Farben sehen. Und die Sonne. Ich will … Wärme.«
    Und Menschlichkeit. Auch wenn sie nicht mehr wusste, was das war.
    Über ihr war es eine Weile still. Minuten später erst, so schien es ihr, ließ Cedric ein resigniertes Seufzen hören.
    »Weißt du, Frei, es ist eigentlich sehr einfach.« Sie spürte seinen eindringlichen Blick, auch ohne den Kopf zu heben. »Wenn du auch nur ein kleines bisschen versuchen würdest, guten Willen zu zeigen, wäre ich höchstwahrscheinlich sehr viel eher bereit, meine Meinung zu überdenken.«
    Nun richtete Frei sich doch auf. »Das glaubst du doch selbst nicht«, zischte sie verächtlich.
    Cedric hob spöttisch die Brauen und schob die Hände in die Taschen seines Kittels. »Du könntest es auf einen Versuch ankommen lassen.« Er bückte sich, hob die leere Konserve vom Boden auf und legte schließlich einen dritten Blutbeutel auf den kleinen Tisch neben dem Kopfende von Freis Bett. »Also schön. Wenn du nichts weiter zu dem Thema
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