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Unberuehrbar

Unberuehrbar

Titel: Unberuehrbar
Autoren: Franka Rubus
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heiser. »Das … das werden Sie doch aber nicht zulassen, oder, Doc? Sie … Sie schmeißen ihn raus, Sie machen ihn platt! Sie lassen ihn das nicht durchziehen – nicht wahr?« Seine Finger auf der Schreibtischplatte bebten. Seit dem Strahlenexperiment vor sechs Jahren war Sid ein Teil von White Chapel. Er konnte die Station nicht verlassen – nie wieder. Eine Schließung – das wusste er ebenso gut wie Cedric – wäre sein Ende.
    Cedric atmete tief durch. Er musste jetzt ruhig bleiben oder zumindest so wirken. »Nicht, solange ich noch irgendetwas tun kann, um es zu verhindern. Und wir fangen gleich heute damit an.« Er räusperte sich, um das raue Gefühl in seiner Kehle zu vertreiben. »Nach Feierabend holen wir Frei hier raus.«
    Ein fast zaghaftes Funkeln leuchtete in Sids Augen auf. »Sie meinen … ich darf die Irre nach draußen jagen?« Ein Teil der gewohnten Begeisterung schwang nun wieder in seiner Stimme mit, und Cedric konnte ein schiefes Lächeln nicht unterdrücken – obwohl die Situation wirklich alles andere als komisch war.
    »Nein. Um Frei kümmere ich mich. Du wirst unseren geschätzten Dorian im Auge behalten und ihn ablenken, falls er versucht, mir nachzuschnüffeln.«
    Sid ballte aufgeregt die Fäuste. »Im Ernst, Doc? Ich soll ihn austreiben?«
    Cedric seufzte angestrengt und schüttelte den Kopf. Auchwenn er zugeben musste, dass die Vorstellung von einem »ausgetriebenen« Dorian äußerst reizvoll war – das Risiko war zu groß, als dass er seinem Wächter und engstem Vertrauten hätte erlauben können, es einzugehen.
    »Nein, auch das nicht. Halte so viel Abstand von ihm wie möglich. Wenn du direkten Kontakt vermeiden kannst, dann tu das unter allen Umständen. Ich kann noch nicht sicher beurteilen, wie stark er inzwischen ist, aber er ist gefährlich.«
    »Sie meinen, er könnte versuchen, mich zu beeinflussen?« Sids Stimme zitterte vor freudiger Erwartung. Der Wächter verabscheute Dorian schon jetzt, das war ihm deutlich anzusehen, und er brannte darauf, sich mit ihm zu messen. Aber das konnte Cedric nicht verantworten. Er rieb sich angestrengt über die Stirn. »Das ist kein Spaß, Sid. Dorian spielt in einer anderen Liga als Kris, und er hat noch viel weniger Skrupel. Aber er weiß bisher nichts von dir und deinen Fähigkeiten, und ich möchte, dass das möglichst lange so bleibt.«
    Sid lachte sein heiseres Lachen. »Boom Baby«, sagte er. »Das wird ein Mordstheater!«
    »Du wirst nichts unternehmen, um ihn zu provozieren.« Cedric sah seinen Wächter eindringlich an. »Hast du das verstanden?«
    Sid rollte mit den Augen. »Klar doch, sicher, Doc. Aber …«
    »Nein«, unterbrach ihn Cedric mit Nachdruck. »Nicht, solange es sich vermeiden lässt.«
    Sids Mundwinkel sanken herab. »Jawohl, Chef«, murmelte er missmutig.
    Cedric seufzte nachsichtig. »Du wirst deine Gelegenheit schon bekommen, da bin ich mir sicher. Versprich mir nur, dass du dich nicht überschätzt. Ich brauche dich noch, Sid.«
    Und vor allem,
dachte er in Gedenken an Dorians Blutgabe,
brauche ich dich auf meiner Seite.
    Die Augen des Wächters glühten auf. »Ja, ja, ist ja gut. Geht klar, Doc. Soll ich dann gleich anfangen, ihn zu beobachten?« Er knackte vernehmlich mit den Fingerknöcheln.
    Cedric nickte. »Sofort. Unbedingt.«
    Ein breites Grinsen verzog Sids Gesicht. »Mit Vergnügen, Doc. Sagen Sie bloß Bescheid, wenn’s losgehen soll. Ich sehe Sie dann später!« Mit einem großen Satz sprang er in die Wand und war kurz darauf verschwunden.
    Einen Moment noch blieb Cedric auf seinem Stuhl sitzen und starrte auf die dunkle Maserung der Tischplatte. Dann stand er schwerfällig auf und ging hinüber zum Lichtschalter, um endlich die grelle Deckenbeleuchtung auszuschalten. In der Dunkelheit lehnte er sich gegen die Bürotür und ließ den Kopf schwer gegen das glatte Holz sinken.
    Kris, mein Freund,
dachte er müde.
Ich hätte dich niemals gehen lassen dürfen.

Kapitel Drei
    Milngavie Railway Station, Milngavie, Schottland
     
    Mit geschlossenen Augen lauschte Red auf das Klicken des Lüfters. Ein schwacher Strom stickiger Luft strich an seinen Wangen entlang – kühl im Vergleich zu seinem abgestandenen Atem, der bewegungslos über ihm in der Dunkelheit gehangen hatte. Kurz überlegte er, sich umzudrehen, um seinen Rücken zu entlasten, auf dem er seit sicher zwei Stunden lag. Aber er hatte sich heute schon einmal den Ellbogen an den glatten Kunststoffwänden aufgescheuert. Außerdem hatte das
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