Umzug ins Glück
ruppigen Sprüchen zu kaschieren versuchte.
Ich setzte ihn ausführlich ins Bild und informierte mich anschließend über den Stand seiner Studien. Wobei er da etwas allgemein
blieb, aber das kannte ich schon.Vermutlich traute er seiner alten Mutter, die nie studiert hatte, nicht so recht zu, den Unterschied zwischen Vorlesung und
Seminar zu durchschauen. Aber solange er sich regelmäßig meldete, wollte ich nicht meckern.
Unten war inzwischen Romy eingetroffen und deckte gerade im Esszimmer den Tisch. Ich glaube, ihr war völlig klar, dass ich
Jan Hörnums eigenmächtige Aufenthaltsverlängerung nicht aus vollem Herzen begrüßte. Mit einem Gesicht, aus dem das schlechte
Gewissen sprach, erklärte sie mir, sie hätte ihn natürlich auch zu sich einladen können, aber zurzeit schlafe sie selbst in
ihrem Gästezimmer, weil Klaus immer so schnarche und sie selbst häufig mit Hitzewellen zu tun habe, und überhaupt …
»Warum hast du mir nicht gesagt, dass du mit ihm das Auto abholen fährst?« Ich war noch nicht so ganz ausgeglichen, auch wenn
mich das Gespräch mit Magnus etwas beruhigt hatte.
»Ich dachte, er sagt es dir!«, verteidigte sie sich. »Du hast ihm doch auch den Schlüssel gegeben …« Sie brach ab, als sie meinen Gesichtsausdruck sah und richtig interpretierte. »Oh. Hast du nicht.«
Eigentlich konnte ich es ihr nicht nachtragen. Sie war genau wie ich ein Opfer von Jan Hörnums Art, die Welt als seine persönliche
Requisitenkammer zu sehen. Außerdem hatte sie schon Hitzewellen, und wir waren doch beinahe gleichaltrig, wobei mir sechsundvierzig
als reichlich früh für Hitzewellen vorkam. Vielleicht lag es an Klaus. Er hatte manchmal eine Art, bei der ich mir vorstellen
konnte, schneller zu altern.
Jetzt kam er besorgt zu uns ins Esszimmer und fragte: »Sagt mal, was kocht der da eigentlich? Das ganze Haus stinkt nach Fisch.«
»Helgoländer Heringstorte«, zitierte ich Magnus. Oder besser gesagt Käpt’n Blaubär. »Mit Schlickflundern.«
Als Ehepaar ohne Kinder hatten Romy und Klaus nie Berührung mit Käpt’n Blaubär gehabt. Deshalb nahmen sie das ernst. »Oje.
Hoffentlich gibt es noch eine leckere Beilage.«
Ich erinnerte mich an eine Einladung vor vielen Jahren bei Stephans Chef, bei der es als »kleinen Imbiss« einen Gorgonzola-Auflauf
gab. Sonst nichts. Alle lobten ihn sehr, bis auf mich. Ich hasse Gorgonzola. Insofern war das ein sehr diätischer Abend für
mich.
Dann erinnerte ich mich außerdem daran, dass ich Ines eingeladen hatte. Die hätte zwar vielleicht den Gorgonzola gegessen,
aber der Pannfisch ohne eine vegetarische Alternative käme beinahe einer Kriegserklärung gleich. »Ich geh mal in die Küche
und sehe, was ich tun kann.«
Die Lage in der Küche hatte sich, was das Platzangebot anging, nicht verbessert. Jan Hörnum hatte inzwischen mehrere Pfannen
auf dem Herd in Arbeit, außerdem stand dort meine größte Auflaufform, in die er abwechselnd Kartoffelscheiben und Fisch schichtete.
»Sagen Sie, gibt es dazu auch Gemüse?«, fragte ich argwöhnisch.
»Nein, wieso?«
Vermutlich erwarten nur Spießer die klassische Kombination von Fleisch (beziehungsweise Fisch), Gemüse und einer Sättigungsbeilage.
Aber vielleicht war es manchmal besser, ein Spießer zu sein. Seufzend erkundete ich die Lage. Es war definitiv zu spät, um
meine Artischocken zu kochen, und für die Herstellung der dazu dringend erforderlichen Bearnaise hatte ich sowieso weder den
Platz noch die nötigen Gerätschaften zur Verfügung.
Immerhin hatte ich eine große Auswahl von Gemüse mitgebracht, das sich auch als Rohkost eignete. Unter großem Protest des
Kochs räumte ich einen Teil des Tisches frei und begann, Kohlrabi, Paprika, Gurken, Möhrenund Tomaten in Scheiben und Streifen zu schneiden. Ich hatte gerade noch Zeit, eine Fertigpackung Kräuterquark mit einigen
Gewürzen zu verfeinern. Dann klingelte es und Ines kam.
»Was ist denn bei dir los?«, fragte sie leicht irritiert. »Hier stinkt es wie auf der Kirmes am Fischbrötchenstand.« Sie hing
ihre Designer-Jacke auf und bemerkte, dass die Garderobe schon ziemlich voll war. Sonst hängen dort nur mein jeweiliger guter
Mantel, meine Alltagsjacke und der alte Lodenmantel von Stephan, den ich immer anziehe, wenn ich bei Regen in den Garten muss.
Jetzt waren auch noch Romys Steppjacke, das Sakko von Klaus und zwei Jacken von Jan Hörnum hinzugekommen, sodass langsam die
Bügel ausgingen.
Weitere Kostenlose Bücher