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Ulysses Moore – Die Häfen des Schreckens

Ulysses Moore – Die Häfen des Schreckens

Titel: Ulysses Moore – Die Häfen des Schreckens
Autoren: Pierdomenico Baccalario
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seiner Unsterblichkeit verriet, hatte Julia sich ein Herz gefasst und ihm die Kette mit den Affenschädeln vom Hals gerissen. Unter ihren Augen war er in Sekundenschnelle gealtert und geschrumpft.
    Dann war sie weit weg geschleudert worden. Das Meer hatte die Brigantine angehoben und sie gegen die Felsen geworfen. Gleich nach dem grauenerregenden, lauten Krachen hatte sich Julia am Boden liegend wiedergefunden. Sie hatte das Wasser ringsherum rauschen hören und die Felsbrocken gesehen, die von Salton Cliff abgebrochen und ins Meer gestürzt waren.
    Julia hatte das Schiff, das Meer und die berstenden Klippen gesehen und nicht mehr gewusst, wo oben und wo unten war.
    Kurz bevor sie ohnmächtig wurde, waren ihr Black und Oblivia eingefallen und sie hatte sich auf Deck nach ihren Leichen umgeschaut. Aber von ihnen war keine Spur zu sehen.
    Ohne zu wissen, wie sie dahin geraten war, kam sie im Wasser wieder zu sich. Ausgerechnet ihr Meer riss sie jetzt in die Tiefe. Aber sie würde nicht kampflos aufgeben. Auf keinen Fall. Sie dachte an ihre Eltern, an Jason, an Rick. Sie musste sie unbedingt wiedersehen.
    Und so kämpfte sie gegen die Strömung an. Sie fühlte sich gleichzeitig klein und schwer. So schnell sie konnte, streifte sie Schuhe und Kleidung ab. Das Wasser drang ihr in die Ohren und in die Nase, bedrängte sie von allen Seiten. Julia schob es von sich weg und so fing sie an zu schwimmen.
    Sie wollte schwimmen.
    Sie wollte leben.
    Zwischen zwei Schwimmstößen stellte sie sich vor, wie sie es schaffte, dass sie stärker als das Meer und als die Felsen war. Das Wasser um sie herum wurde heller. Ich habe die Oberfläche erreicht, dachte sie, ich habe es geschafft!
    Doch in dem Augenblick, in dem sie den Mund aufriss, um ihre Lungen mit Leben spendender Luft zu füllen, wurde sie so plötzlich nach unten gerissen, dass sie vor Schreck beinahe aufgeschrien hätte. Zum Glück aber schloss sie den Mund und vermied es so, Sauerstoff zu verschwenden und Wasser einzuatmen.
    Um sie herum stieg eine Fontäne aus Luftblasen auf, und sie streckte die Arme nach ihnen aus, so als könne sie sich an ihnen festhalten und sich von ihnen nach oben ziehen lassen.
    Doch die Blasen zerplatzten und sie war mit dem salzigen Wasser allein.
    Nur Wasser und …
    Eine Hand.
    Eine Hand, deren Finger sich um ihre schlossen.
    Eine Hand, die sie am Arm packte. Und ein Arm, der sich um ihre Taille legte.
    Das also empfand man, wenn man starb, dachte sie. Sanfte, aber kräftige Hände, die einen in das unbekannte Dunkle führten.
    Julia ließ sich führen. Sie schloss die Augen und hörte zu kämpfen auf. Und spürte, wie auf einmal kein Wasser mehr um sie war und ihre Füße festen Grund berührten.
    Sand. Luft.
    Sie hörte die Schreie der Möwen. Kirchenglocken. Das Schwappen der Wellen. Spürte Hände, die ihr Gesicht zuerst streichelten und dann leicht ohrfeigten. Hörte eine Stimme. Ricks Stimme. Ricks Stimme, die zu ihr sagte: »Julia? Julia, hörst du mich? Kannst du mich hören? Atme! Julia, bitte, du musst atmen!«
    Sie spürte einen Druck auf ihrer Brust und dann Ricks Lippen auf ihren. Sie merkte, dass er ihr Luft in die Lunge blies, dass sie gemeinsam atmeten, und …
    Sie hustete.
    Und noch einmal.
    Ihre Augen waren noch geschlossen, als sie Rick sagen hörte: »Du lebst! Ich wusste es!«
    Und endlich öffnete sie die Augen, obwohl es sehr mühsam war. Ihre Lider waren so schwer, als hätten sie sich mit Salz und Wasser vollgesogen. Und dann sah sie ihn, ganz nahe bei ihr, mit seinen Sommersprossen und seinen roten Haaren.
    Er war es wirklich.
    Es war tatsächlich Rick.
    Sie hätte ihn gerne umarmt, aber im Moment fiel ihr nicht mehr ein, wie das ging. Doch Rick wusste es noch, und so war er es, der seine Arme um sie schlang und sie nur kurz losließ, damit sie noch ein bisschen mehr Wasser aus sich heraushusten konnte.
    Es dauerte lange, bis sie genügend Kraft gesammelt hatte, um leise zu fragen: »Was ist passiert?«
    »Nichts«, antwortete Rick und strich ihr über das Haar. »Es ist nichts passiert.«
    Julia schloss wieder die Augen. Sie fühlte sich sicher und geborgen.
    Sie fuhren bis zum Leuchtturm und stiegen dort aus. Marius Voynich stand mit dem Rücken zu ihnen und schaute aufs Meer hinaus.
    »Chef!«
    »Wir sind da!«
    »Wie ist die Lage?«
    Aber er drehte sich nicht einmal um.
    Sie stellten sich zu ihm. Über ihren Köpfen zog der mächtige Lichtkegel des Leuchtturms gemächlich seine Kreise. Voynich erkannte sie an
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