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Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)

Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)

Titel: Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)
Autoren: Alex Raack
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Krankenschwestern mit Sauerkraut füttern, damit der Schlüssel auf natürliche Weise wieder ans Tageslicht gelangte.

    Breitreifen, lackierte Felgen, ein Fahrer mit dem richtigen Biss: Mein Roller, Mitte der Sechziger das Fortbewegungsmittel Nummer eins für alle unter zwölf.    © Uli Borowka privat
    Ähnlich unangenehme Erinnerungen habe ich auch an meine Grundschulzeit. Weil sich ein Mädchen aus meiner Klasse bei einem Sturz gegen die Wand eine Gehirnerschütterung zugezogen hatte – ich hatte ihr zuvor den Stuhl gemopst – wurde ich ins Rektorzimmer beordert. Dort wartete auch schon Rektor Strothköter. Mit einem Rohrstock prügelte er auf meine kurze Lederhose ein, bis ihm der Arm müde wurde. Heulend schlug ich zu Hause auf, Mitleid erwartend. Meine Eltern sagten nur: »Dann weißt du ja, was du in Zukunft nicht mehr tun darfst.« Das saß! Ein weiteres Beispiel der elterlichen Erziehungsmethoden erfuhr ich Jahre später als 14-jähriger Teenager. Mit meinem Kumpel Wolfgang Hain hatte ich die glorreiche Idee, die erste Zigarette unseres Lebens heimlich in der Kartoffelmiete hinter unserem Haus zu rauchen. Also hockten wir beide eines Nachmittags in diesem eineinhalb Meter in der Erde eingelassenen Vorratsspeicher und schmauchten ganz cool ein paar Kippen. Schon bald zogen die ersten Rauchschwaden aus der Miete, was wiederum meinen Opa alarmierte. Panisch brüllte er durchs Haus: »Die Miete brennt!« Mit einem Eimer Wasser rannte mein Vater in den Garten, doch ein kurzer Blick genügte ihm, um zu wissen, was da wirklich zwischen Kartoffeln und Kohlköpfen vor sich ging. »Wenn ihr beiden Halbstarken unbedingt rauchen wollt, dann habe ich was für euch«, sagte er und schleifte uns in die Gaststätte. Er fischte eine riesige Dannemann-Zigarre aus der Schublade, steckte sie an und schob uns den Kolben zwischen die Zähne. »Schön ein- und wieder ausatmen«, hörten wir seine Stimme zwischen dem beißenden Qualm. Es dauerte nicht lange, bis Wolfgang und ich zu den Toiletten stürmten und das Mittagessen in die Keramik verabschiedeten. Es hat Jahre gedauert, bis ich mich wieder an die nächste Zigarette herangewagt habe.
    Ich habe bereits von meinem Vater erzählt. Man musste ihn schon sehr hartnäckig triezen, damit er die Fassung verlor. Umso absurder, was sich abspielte, wenn dieser Mann dann auf dem Fußballplatz stand. Im gesamten Kreis Iserlohn war Ernst Borowka vom FC Oese 49 als harter Hund gefürchtet. Ein knüppelharter Zweikämpfer, der die regionalen Ascheplätze so zuverlässig umpflügte wie die Bauern ihre Kartoffeläcker. Wenn wir ihm am Wochenende bei seinen 90-minütigen Ausbrüchen zuschauten, dann gab es regelmäßig Rangeleien mit den Meckerrentnern der gegnerischen Mannschaft und wüste Auseinandersetzungen mit den bedauernswerten Schiedsrichtern. Und wenn er dann mal gegen den Ball statt gegen den Gegner trat, tat er das meistens mit der Pike. Noch heute sehe ich diesen etwas klein gewachsenen Wüterich, wie er Gift und Galle speiend über den Platz stiefelte. Es war wie bei Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Auf dem Fußballplatz wurde mein Vater zu einem anderen Menschen. Jahre später sollte ich erkennen, wie ähnlich wir uns doch waren.
    Denn auch wenn meine Karriere auf so unrühmliche Art begonnen hatte – bald gab es nichts anderes mehr in meinem Leben als Fußball. Trotz Türmchenbaus: Mit fünf Jahren begann ich meine Laufbahn bei der SG Hemer 08, spielte dort drei Jahre und wurde nach dem Umzug nach Oese Mitglied beim FC 49. Zugegeben, sonderlich talentiert war ich nicht. Aber ich liebte dieses Spiel mit jeder Faser meines Körpers und spulte in jedem Spiel wie ein Verrückter einen Kilometer nach dem anderen ab. Die Leistungen des kleinen Derwischs aus Oese blieben nicht unbemerkt. Gleich mehrfach wurde ich für die Kreisauswahl Iserlohn nominiert, und weil ich auch dort wie ein Wahnsinniger die Ascheplätze rauf und runter rannte, erhielt ich im Frühjahr 1974, gerade einmal elf Jahre alt, eine Einladung zur Westfalenauswahl. Tagelang schwebte ich auf Wolke sieben durch die Schule, dann war der große Tag endlich gekommen. Am 16. April 1974 brachte mich mein Vater in die Sportschule Kaiserau, wo sich der zusammengewürfelte Haufen talentierter Nachwuchskicker aus ganz Westfalen auf die ersten Auswahlspiele vorbereiten sollte.

    Das Trikot ordentlich in der Hose: Meine ersten fußballerischen Gehversuche für die SG Hemer 08.    © Uli Borowka privat
    Kaiserau, für
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