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Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)

Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)

Titel: Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)
Autoren: Alex Raack
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Ohrenschmerzen. Jetzt schreit er wieder. Nach mir, seinem Papa!
    Ich renne die Stufen nach oben, stürze über den Flur und öffne die Tür zu Tomeks Zimmer. Aber da ist nichts. Ich höre den Schrei, ganz klar und deutlich, aber das Zimmer ist leer. Tomeks Kinderbettchen, seine Spielsachen, das bunte Poster an der Wand, nichts ist mehr da. Ich höre meinen Sohn schreien, aber er ist gar nicht hier. Die Einsamkeit frisst sich durch meine Eingeweide, ich schließe die Augen. Das Schreien verstummt.
    Zurück auf der Matratze. Ich öffne die nächste Flasche Wein. Leere sie, öffne die nächste. Versuche, die Einsamkeit, die Leere, die Angst und die Trauer zu ertränken. Aber heute klappt das nicht. Heute nicht. Heute muss ich zu drastischeren Maßnahmen greifen.
    Ich gehe ins Badezimmer und hole den Karton mit den Tabletten. Schmerztabletten, Schlaftabletten, der ganze Karton ist voll damit. In der Küche steht noch ein letztes großes Glas. Tabletten und Glas stelle ich vor meine Matratze. Mir ist da eben ein Gedanke gekommen. Was, wenn ich morgen nicht mehr aufwache? Würde mich jemand vermissen? Braucht mich noch jemand? Brauche ich mich noch? Wäre es nicht besser, der ganzen Scheiße ein Ende zu bereiten? Sich hier und jetzt zu verabschieden? Was hindert mich daran?
    Ich schütte die Tabletten ins Glas. Eine Handbreit Schmerzmittel und Schlaftabletten vermengt mit Rotwein und Bier. Minutenlang sitze ich da und starre auf den selbstgemachten Cocktail. Oder sind es Stunden? Jetzt. Ich nehme das Glas und leere es in einem Zug.
    Mein Name ist Uli Borowka und ich werde mir jetzt das Leben nehmen.

TRÄUME AUF ROTER ASCHE
    Kindheit und Jugend im Sauerland
    »Ulrich, spiel doch endlich Fußball!« Das musste mein Vater Ernst sein. Er stand hinter der Bande, wild gestikulierend. Selbstvergessen hockte ich auf dem Boden und formte behutsam Türmchen aus der roten Asche. Für mich war das hier ein herrlicher und riesengroßer Spielplatz. Erst die Worte meines Vaters rüttelten mich auf. Das hier war kein Sandkasten, sondern mein allererstes Fußballspiel. Auch wenn ich nur auf Probe für die ruhmreiche SG Hemer 08 antrat: Ich ließ die Türmchen Türmchen sein und stellte mich dem Angriff der gegnerischen Mannschaft entgegen. Jetzt würde ich meinem Vater zeigen, was für ein großartiger Fußballer ich doch war! KLATSCH! Vom Fuß meines Gegenspielers prallte der Ball direkt in mein Gesicht. Meine Wangen, meine Nase, meine Lippen, alles brannte wie Feuer. Wie reagierte ich als fünfjähriger Debütant? Lächelte ich den Schmerz einfach weg und fegte den Schuldigen bei nächster Gelegenheit über die Seitenlinie? Von wegen. Ich fing an zu heulen. Die Tränen kullerten mir nur so über die Wangen, hilfesuchend schaute ich zur Seitenlinie. Da standen sie: Meine Eltern Ernst und Erika. Meine kleine Schwester Astrid, meine Großeltern. Meine Familie. Und jetzt stand ich hier und jaulte wie ein Schlosshund. Meine Mutter wäre am liebsten auf den Platz gerannt, um mich in den Arm zu nehmen. Mein Vater aber sah mich nur an. Ganz ruhig, so wie es seine Art war. Er sagte kein Wort, aber ich wusste auch so, was er mir mitteilen wollte: Stell dich nicht so an! Und jetzt spiel endlich Fußball …
    Ich bin am 19. Mai 1962 in Menden, einer kleinen Stadt im Sauerland, geboren. Meine Mutter, eine gebürtige Oberschlesierin, war 1956 nach Becke-Oese gekommen und hatte dort meinen Vater, einen gelernten Armaturenschleifer, kennen- und lieben gelernt. 1964 kam meine Schwester Astrid zur Welt. Mit zwei Kindern im Gepäck wagten meine Eltern dann den großen Schritt in die Selbstständigkeit – und eröffneten im Sommer 1970 die Vereinsgaststätte »Zum Hillebach« vom FC Oese 49. Die Gaststätte wurde unser Lebensmittelpunkt und unser Zuhause, schließlich wohnten wir direkt über der Kneipe. Lediglich der Hillebach und eine kleine Brücke trennten unser Grundstück vom Sportplatz.

    Mein Vater Ernst, der Neuzugang Uli und meine Mutter Erika.    © Uli Borowka privat
    In den frühen siebziger Jahren war der kleine Ascheplatz der Mittelpunkt des örtlichen sozialen Lebens. Und wer in Oese zum Fußball ging, der schaute auch bei Ernst und Erika Borowka auf ein paar selbst gemachte Frikadellen oder ein Glas Bier vorbei. Arbeit ist das halbe Leben, heißt es. Für meine Eltern gab es nichts anderes. Um sechs Uhr morgens wurde die Gaststätte geputzt, dann eingekauft und das Essen zubereitet. Mittags kamen die ersten Gäste und bestellten
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