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Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)

Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)

Titel: Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)
Autoren: Alex Raack
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ihr Schnitzel, abends schauten die Dorfkicker auf ein Feierabendpils vorbei. Ohne fremde Hilfe, nur zu zweit, hielten meine Eltern den Laden am Laufen. Die Gaststätte war ihr Leben.

    Der Anlaufpunkt der gesamten Familie: Die Gaststätte »Zum Hillebach« ganz in der Nähe des örtlichen Ascheplatzes. Davor meine Eltern.    © Uli Borowka privat
    Für mich war es das Paradies! Da war der große Saal für die Festlichkeiten. Der Besprechungsraum mit dem Billardtisch, in dem die Trainer mit ihren Spielern vor jeder Partie noch einmal die Aufstellung durchgingen. Der Garten mit den Schirmen und Tischen und dem gleich dahinter verlaufenden Hillebach, der unserer Gaststätte ihren Namen gegeben hatte. Oder der Keller mit dem Tischkicker, in dem es immer ein wenig nach Zigaretten und Bier müffelte. Jahrelang ließ ich hier den kleinen Ball zwischen den Holzfiguren rotieren, bis ich irgendwann so gut war, dass ich bei den Deutschen Meisterschaften teilnahm (und dort am Ende immerhin den neunten Platz belegte). Und natürlich der Ascheplatz, spätestens seit meinen ersten Erfahrungen als Fußballer Dreh- und Angelpunkt meines jungen Lebens.
    Wenn ich heute an diese Jahre denke, dann schmeckt die Luft nach Mutterns Frikadellen. Ich sehe meinen Vater hinter dem Tresen, wie er das schäumende Bier aus dem Hahn in die Gläser sprudeln lässt. Ich sehe meine Großeltern, wie sie die Hühner füttern. Ich höre die Schlacke unter meinen Schuhen knirschen und den Motor unseres VW-Käfers mit den Doppelfenstern aufheulen. Und ich denke daran, wie ich mit meinen Kumpels hinter unserem Haus lauerte, bis der Platzwart fort war, damit wir wieder auf das Feld stürmen konnten. Schöne Jahre.
    Die Rollenverteilung bei uns zu Hause erschloss sich erst auf den zweiten Blick: Mein Vater war die meiste Zeit sehr ausgeglichen, ein entspannter, in sich ruhender Typ. Natürlich trank er als Gastwirt auch mal eine Runde mit seinen Gästen. Wenn der Andrang am Tresen gerade nicht so groß war, knobelte er mit den Stammkunden um die Wette. Der Verlierer musste die Runden bezahlen, da kamen dann schon einmal mehrere Gläser Bier zusammen. Nur selten verlor mein Vater die Fassung, doch wenn das passierte, konnte er sehr böse werden. Meistens blieben die Streitereien jedoch ohne Folgen, weil meine Mutter die Gefahr roch und das Problem auf ihre Weise löste. »Ernst«, sagte sie immer, »geh doch mal in die Küche und iss einen Happen.« Wenn mein Vater verschwunden war, regelte meine Mutter die Angelegenheit. Sie hatte alles im Griff und war die gute Seele unserer Familie. Hatte ich etwas ausgefressen, dann ging ich selbstverständlich zu ihr. Von meinem Vater brauchte ich kein Mitleid zu erwarten. Das war noch später so, als ich in meinem ersten Trainingslager für Borussia Mönchengladbach vor lauter Schmerzen nachts nicht schlafen konnte und mit zitternden Muskeln in mein Kissen weinte. Wenn ich dann zu Hause anrief, hoffte ich stets, dass meine Mutter den Apparat abheben würde. Mein Vater hätte nur gesagt: Hör auf zu jammern und beiß dich durch. Harte Schale, weicher Kern, so war Ernst Borowka. Nur einmal habe ich als Kind meinen Vater weinen sehen. 1972 lag meine Mutter, der von Geburt an ein Gerinnungsstoff im Blut fehlt, nach einer schweren Unterleibsoperation im Krankenhaus. Fast wäre sie gestorben. Gemeinsam mit meinem Vater und meiner Schwester saß ich bei uns in Oese auf dem elterlichen Bett und betete für meine Mutter. Meinem alten Herrn, unserem starken Beschützer, rollten die Tränen über das Gesicht. Für mich als zehnjährigen Jungen war das schlimmer als jede väterliche Ohrfeige.

    Silberhochzeit von Ernst und Erika. Natürlich im Klammerblues: der Sohnemann.    © Uli Borowka privat
    Ich glaube, ich war ein relativ anständiges Kind. Auch wenn ich Katastrophen anzog wie ein Magnet Eisensplitter. Im örtlichen Krankenhaus in Hemer war ich Stammgast. Mit vier Jahren fiel ich vom Kletterturm im Kindergarten und biss mir bei der Landung fast die Zunge ab. Mit Lederriemen schnallten mich die Ärzte an Beinen, Armen und Kopf fest und nähten mir die Zungenspitze wieder an. Ohne Betäubung. Einige Jahre später wollte ich meinen Großvater, der mit meiner Oma bei uns im Hinterhaus wohnte, mit einer freihändigen Fahrt auf dem Fahrrad beeindrucken, stürzte drei Meter tief in den Hillebach und riss mir die Hand auf. Und als ich – wie auch immer – meinen Fahrradschlüssel heruntergeschluckt hatte, mussten mich die
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