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Uhrwerk Venedig (German Edition)

Uhrwerk Venedig (German Edition)

Titel: Uhrwerk Venedig (German Edition)
Autoren: Lucas Edel , Emilia Dux , Susanne Wilhelm , Tom Wilhelm , Dirk Ganser , T. S. Orgel
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wehte ihm entgegen und der süßlich vergorene Geruch des Brackwassers. Er hatte beinahe vergessen, dass außer Zahnrädern und Mechanik noch so etwas wie eine Welt um ihn herum bestand.
    In seinem Kopf bestürmten ihn zahllose Fragen. Schweigend trat er neben seine Geliebte. War sie das? Er betrachtete die Gondeln, die durch das diffuse Licht ein wenig wie die gekrümmten Nägel einer Greisin wirkten.
    Giulia machte den Anfang: »Mein Vater schickt mich. Nein halt, bitte hör erst zu. Er möchte dich in seiner Gilde haben. Was sagst du dazu?«
    Pietros Gedanken schwirrten. »Warum schickt er dich, um für ihn zu sprechen?«
    »Es war mein Wunsch, zu kommen. Pietro, ergreife diese Gelegenheit! Ich kenne zwanzig und mehr Männer, die für diese Chance einen Mord begingen.«
    »Ich bin keiner von ihnen«, wehrte Pietro ab.
    »Du weißt, wie ich das meine. Du musst an deine Zukunft denken. Bei meinem Vater kannst du viel Geld verdienen.«
    »Ich brauche euer Geld nicht«, entgegnete Pietro schärfer als beabsichtigt. Sein Meister versorgte ihn mit allem, was er zum Leben brauchte und sorgte auch für das benötigte Material seiner Arbeiten.
    »Bitte Pietro, nimm das Angebot an. Nur dann wird uns mein Vater gestatten, ein Paar zu sein. Du ... wir brauchen Geld. Du brauchst Arbeit.«
    Pietro beschloss, kein Wort über den Wettbewerb zu verlieren. »Wie soll ich das verstehen? Nach jener Nacht war ich überzeugt, dass wir getrennte Wege gehen würden.« Obgleich er gehofft hatte, es wäre nicht so. Aus den Reichen wurde man nie richtig schlau. Sie lebten nach ihren Launen und aus dem Bauch heraus.
    »Pietro, ich flehe dich an.«
    Eine Weile sagte keiner von beiden ein Wort. Irgendwo bellte leise ein Hund. »Mit dir ist noch etwas anderes verschwunden, Giulia.«
    Sie ignorierte die Anspielung. »So versteh doch. Es geht um mehr. Unser Kind. Pietro, ich erwarte ein Kind.«
 
    Pietro lehnte ab. Es kostete ihn große Anstrengung, standhaft zu bleiben. Er musste Giulia beweisen, dass er auf eigenen Beinen stehen konnte. Der Zeitpunkt war nah, da würde alle Welt erfahren, dass er, Pietro Marzo, der neue Pavoni war, mehr noch, er würde seinen Konkurrenten buchstäblich überflügeln. Es durfte nicht versagen. Dann würde sein Kind die Liebe und Fürsorge erfahren, die ihm stets verwehrt geblieben war.
    Unbeirrt vervollständigte Pietro seine Konstruktion, fertigte letzte Teile, justierte nach. Immer wieder kämpfte er den Schmerz nieder, der hochwallte, sobald er an Giulia dachte. Sie glaubte nicht an ihn.
 
    Erst am Tag des Wettbewerbs sah er sie wieder. Die Sonne brannte herab als wäre sie nicht willens auch nur einen Fehler den Schatten zu überlassen.
    Pietros geliehene Kleider saßen nicht richtig, er schwitzte unter dem Samt und den Spitzen und fühlte sich klebrig. Er war so aufgeregt, dass er seinen Namen bei der Anmeldung zweimal wiederholen musste, bis ihn der Signore verstand. Mit den Worten »Reihen Sie sich in Schlange D ein und warten Sie, bis Sie aufgerufen werden« verscheuchte er Pietro und seinen Meister, der mitgekommen war.
    »Vergiss nicht zu atmen«, sagte der alte Mann in seiner wärmsten Stimmlage. »Und immer lächeln. Das entspannt.«
    Pietro versuchte es. Nervös trat er von einem Fuß auf den anderen und wurde mit jeder verstreichenden Minute zappeliger.
    Mit dem Ein-Uhr-Glockenschlag stellte der erste Bewerber sein Werk vor. Der behäbige, ältliche Mann schritt auf den freien Platz. Neben den fünf Richtern musste die Gunst des Publikums errungen werden. Je tosender der Applaus, desto höher die Wertung. Pietro musste erneut warten, er wäre unter den letzten.
    Zunächst kamen die erfahrenen Konstrukteure, klärte ihn sein Meister auf. Ihre Arbeiten waren technische Wunderwerke, die Zahnräder glänzten und surrten routiniert. Doch es fehlte ihnen an Leidenschaft und Leben. Spielzeug für die Reichen, zu nichts nutze, dachte Pietro. Der Applaus blieb gedämpft.
    Danach kamen die jungen Talente, die mit tausend Ideen aber wenig Erfahrung antraten. Selbst Laien erkannten die Defizite aber auch das Potential der Werke. Manche waren geschickte Redner und ernteten respektablen Applaus, doch sie blieben die Ausnahmen.
    Rasch waren drei Stunden vergangen und Pietro erkannte, dass man ihn der letzten Gruppe zugeordnet hatte. Denen, die Inspiration und technisches Geschick in Perfektion vereinten. Sein Mund vertrocknete, auf der Kopfhaut schienen hunderte Ameisen zu krabbeln. Aufgeregt strich er sich die
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