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Übersinnlich

Übersinnlich

Titel: Übersinnlich
Autoren: T Carpenter , Britta Strauss , Kerstin Dirks , Helene Henke , Tanya Carpenter
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Zeitpunkt.“
    Und dann hörte auch sie die leisen Geräusche. Knirschende Steinchen. Atemzüge.
    Eis rann in ihre Schultern, die Arme hinab bis in die Fingerspitzen.
    „Javier!“ Alan klang überrascht.
    Eve fragte sich, wie Javier sich in der Dunkelheit hatte orientieren können. Alan schaltete die Taschenlampe ein, die der Latino beim Sturz auf der Treppe verloren hatte. Das Licht enthüllte Javiers zerschrammtes Gesicht. Er sah furchtbar aus.
    „Madonna, ich dachte, ich finde Sie nicht mehr!“, stieß er hervor.
    Er musste sie die ganze Zeit gesucht haben.
    „Ich kenne diese Scheißtunnels. Ich habe Sie zwar gehört, nur sehen konnte ich Sie nicht. Kommen Sie, ich bringe Sie hier raus.“
    Nacheinander stiegen sie eine Treppe hinab, die so eng war, dass sie mit den Schultern gegen die Wände stießen. Sie durchwanderten eine riesige Höhle, deren Ausmaße sich in der Finsternis nicht erfassen ließen. Ab und zu überquerten sie Brücken. Sie erkannte es daran, dass sich der Klang des Steins unter ihren Füßen veränderte.
    „Halt.“ Javier blieb stehen.
    „Was ist?“, fragte Alan.
    „Die Brücke vor uns trägt nur eine Person. Wir gehen einzeln. Wenn ich rufe, kommen Sie als Nächste, Ma’am.“
    Ohne ein weiteres Wort lief er los.
    „Ist sie noch da?“, flüsterte Eve.
    „Ja“, gab Alan ebenso leise zurück.
    „Warum greift sie nicht an?“
    In diesem Moment erscholl Javiers Ruf. Sie zuckte mit den Schultern und setzte sich in Bewegung. Die Brücke war ein Steg aus gewachsenem Fels, der einen Riss im Boden überwölbte. Es gab keine Balustraden an den Seiten, nichts, woran man sich festhalten konnte. Sie starrte auf den Lichtfleck, den Javiers Taschenlampe warf und setzte steif einen Fuß vor den anderen. Als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte, schlug ihr das Herz bis zum Hals.
    „Alan!“, rief sie. „ich bin drüben!“
    Wie zur Antwort erhob sich ein Grollen in den Felsen. Einen Lidschlag später wurde sie von der Druckwelle getroffen wie von einer gewaltigen Faust. Ihr Körper war für einen Herzschlag schwerelos, dann prallte sie schwer auf den Fels. Eine Wolke aus Staub und Steinsplittern ging auf sie herab. Javiers Stimme direkt neben ihr drohte überzukippen. „Es tut mir leid, Ma’am! Es tut mir so leid!“
    Ganz plötzlich begriff sie, während der Schmerz durch den Schock des Aufschlags drang. Sie hätte misstrauisch sein sollen, als Javier so plötzlich aufgetaucht war. Wie hatte sie ernsthaft glauben können, dass er sich die Mühe des weiten Abstiegs gemacht hatte, wo Mariposa ihm doch solche Furcht eingejagt hatte.
    Zu spät.
    Der Dunst zerstreute sich und wo die Brücke gewesen war, klaffte nun Leere. Sie versuchte aufzustehen, aber ihre Beine wollten nicht gehorchen. Über ihr taumelte der Lichtfleck, Javiers Gesicht hinter der Taschenlampe mit verstörtem Blick. „Sie hat meinen Jungen!“
    Der Rest seiner Worte ging im Getöse der zweiten Lawine unter. Das Licht erlosch. Im gleichen Moment prallte sie in das fremdartige Bewusstsein, das sie schon einmal gespürt hatte, kurz bevor die Treppe eingestürzt war. Die Berührung fühlte sich an wie Sandpapier, das über Schleimhäute streicht. Entsetzen drohte sie zu paralysieren, doch sie biss die Zähne zusammen und kroch vorwärts, bis die Felskante unter ihren Fingern bröckelte.
    „Alan?“ Sie hustete, um ihre Kehle zu befreien. „Alan!“
    Panik griff nach ihr mit kalten Fingern. „Alan!“
    „Was wollt ihr?“, klang eine Frauenstimme hinter ihr auf. „Warum lasst ihr mich nicht in Frieden?“
    Eve zitterte am ganzen Leib. Sie hörte diese absurd weiche Stimme, aber konnte nichts sehen. Ihre einzige Verbindung war Mariposas Bewusstsein. Zumindest nahm sie an, dass es die Kreatur war, die sie in Pico Union als Mariposa bezeichneten. Mit äußerster Willensanstrengung streckte sie ihren Geist wieder aus, fühlte die grausige Berührung, doch zuckte dieses Mal nicht zurück.
    „Wir haben den Altar gesucht.“ Sie musste Zeit schinden und herausfinden, was Mariposa wollte. Wenn die Kreatur auf Blut aus war, dann … ja, was dann? Natürlich war sie auf Blut aus. Es hatte einen Kampf gegeben, Alan hatte sie verletzt, dann waren sie mit der Treppe in den Abgrund gestürzt.
    Was war mit Alan? Die Lawine hatte ihn auf der Brücke erwischt. Wie tief ging die Kluft hinunter? Zwanzig Yards? Hundert? Hatte er den Sturz überlebt? Alan war nicht leicht umzubringen. Es kreiste in ihrem Kopf wie ein Tornado. Was,
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