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Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde

Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde

Titel: Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde
Autoren: Jeannine Klos
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tigerte er umher und sagte immer wieder: »Wo bleiben die nur? Wo bleiben die denn nur? Wir müssen doch anfangen!«
    Ich dachte, er würde gleich einen Herzinfarkt bekommen. Ralf versuchte ihn zu beruhigen. »Es ist alles kein Problem. Die Taufe ist nur für uns. Wir sind von nichts abhängig. Du kannst ganz entspannt sein.«
    Aber seine Worte halfen wenig. Mein Vater war der festen Meinung, dass man pünktlich beginnen müsse.
    »Ich fange aber nicht ohne Ann-Kathrin an!«, sagte ich bestimmt. »Das geht nicht. Wir warten so lange, bis sie da ist.«
    Am Ende verspäteten sich Ann-Kathrin und ihr Vater gerade mal um eine viertel Stunde. Mein Vater hatte es gerade noch so überlebt, und wir fingen sofort an.
    Als wir die Kapelle betraten, spürte ich, dass jeder den Tränen nahe war. Ich traute mich gar nicht, mich umzudrehen und in die Gesichter zu blicken, um nicht selbst gleich loszuweinen. Markus Weiss gab jedem von uns eine lange weiße Kerze. Jeder zündete seine an Linas großer Taufkerze an. Die Kapelle erstrahlte daraufhin in einem wunderschönen, weichen Licht. Es war eine verzauberte Atmosphäre.
    »Ihr seid, als ihr damals nach Sankt Thomas kamt, durch reißende Wasser gelaufen«, eröffnete Markus Weiss seine Predigt. »Die Verwirrung war groß. Ihr wusstet nicht, wie soll das mit uns und unserem Kind weitergehen. Ich bin dankbar, dass ich Anteil nehmen durfte an eurem Weg, einem schweren Weg. Einem Weg, den das Leben verzeichnet. Das ist Leben – so ist das Leben …«
    Nicole las einen Text vor, den ich ausgesucht hatte. »Es sagte einmal die kleine Hand zur großen Hand: ’Du, große Hand, ich brauche dich, ich brauche deine Kraft und deine Erfahrung. Ich bitte dich: Bleib in meiner Nähe und halte mich …’«
    Ich hörte, wie meine Mutter in ein Taschentuch schnäuzte, und auch Theodora liefen die Tränen. Ricarda spielte ein Flötenstück – »Gib mir die richtigen Worte« – und wurde von Mathias am Keyboard begleitet. Der Klang der Musik erfüllte die Kapelle. Es war ein ergreifendes Fest. Und vor allem war es wunderschön.
    Als Markus Weiss am Taufbecken stand und sich herumdrehte, um Lina entgegenzunehmen, griff er intuitiv nach Yara, die gerade auf meinem Arm war. »Das ist das falsche Kind«, sagte ich schnell.
    Gelächter hallte durch die Kapelle. Ich war erleichtert, dass alle über meinen Scherz lachen konnten, und ich glaube, von allen lachte ich am lautesten.
    Lina wusste gar nicht, wie ihr geschah, als sie das kalte Wasser über ihren Kopf und danach noch Öl auf ihre Stirn bekam. Ihre Augen schauten uns nur fragend an. Ann-Kathrin stand ganz still und andächtig mit Linas Taufkerze in der Hand neben ihrem Patenkind. Blass sah sie aus.
    Nach der Taufe feierten wir in einem Raum, in dem für uns ein langer Tisch festlich gedeckt war. Alles war liebevoll dekoriert, und es gab – Gott sei Dank – ein üppiges Kuchenbuffet. Ralf und ich mussten uns um nichts kümmern, wir durften einfach nur genießen.
    Zumindest nach meiner kurzen Ansprache: »Ich danke allen, dass ihr hier seid. Und ich freue mich, dass wir diesen wundervollen Tag gemeinsam mit euch feiern können. Das Buffet ist eröffnet.«
    Unser Schicksal erwähnte ich ganz bewusst nicht. Es war der Grund, warum wir überhaupt hier und alle so ergriffen waren. Jedes Wort mehr wäre überflüssig gewesen.
    Am späten Nachmittag fuhren wir dann wieder nach Hause und ließen den Tag bei uns ausklingen. Lina stand natürlich im Mittelpunkt und wurde die ganze Zeit geherzt. Jeder strahlte und war bester Laune. Bei der Verabschiedung sagten alle, wie schön und stimmig dieser Tag gewesen sei.
    Theodora knuddelte und küsste Lina. »Wenn es dich nicht gäbe, dann müsste man dich erfinden«, sagte sie zu ihr. Lina kicherte nur.
    Als Ann-Kathrin sich von mir verabschiedete, fiel mir sofort auf, wie mitgenommen sie aussah. Aber sie hatte sich den ganzen Tag auf den Beinen gehalten. Das war sehr viel wert. Wir umarmten uns. Ich hielt sie lange fest und hatte auf einmal das überwältigende Gefühl, dass jetzt endlich alles wieder gut ist. Sie hatte es geschafft! Und wir hatten es geschafft!
    Es war einer der glücklichsten Tage in meinem Leben.

EPILOG
    M ama? Wie war das noch mal, als die Lina vertauscht wurde?«
    Der Kochlöffel fällt mir in die Tomatensoße.
    Lina, inzwischen fünf Jahre alt, sitzt am Küchentisch und schaut abwechselnd von Yara zu mir und zurück.
    Ich muss erst mal schlucken. Mit dieser Frage habe ich nun wirklich
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