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Über Nacht - Roman

Über Nacht - Roman

Titel: Über Nacht - Roman
Autoren: C.H.Beck
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wenigsten.»
    Â«Vielleicht liebt er sie.»
    Â«Alexander? Seine Frau? Aber ich bitte dich. Der braucht nur seinen häuslichen Rahmen.»
    Â«Du etwa nicht?» fragte Irma.
    Â«Doch, aber ohne diese Schwindeleien.» Als mein Mobiltelephon klingelte, streckte Davide instinktiv den Arm nach seinem Handy aus. «Gehst du nicht ran?»
    Â«Ich will jetzt nicht», sagte Irma. Es war Friedrich.
    Â«Die Ursprungsfamilie – das ist etwas anderes. Meistens wissen eh alle Bescheid, es redet nur keiner darüber.» Davide drückte seine Stirn auf die Knie. «Bei euch zu Hause ist es ja nicht anders.» Seine Worte hörten sich dumpf an, als blieben sie an seiner Jeanshose kleben. Er schaute auf. «Aber all diese vorsätzlichen Lügen, die ständigen Verwirrspiele, die Ausreden, und dann diese generalstabsmäßigen Planungen, damit die Frau nicht dahinterkommt – ich könnte das nicht. Männer wie Alexander machen Zukunftspläne mit ihren Gattinnen. Kaum sind die Frauen aus dem Haus, telephonieren sie mit der Gay-Line.»
    Gegenüber landeten mehrere Nebelkrähen auf dem Dach. Früher, erinnerte sich Irma, waren sie vor den strengen Wintern in Osteuropa geflohen, inzwischen lebten sie das ganze Jahr über in der Stadt. Sie konnten bis zu einem Meter Spannweiteerreichen. Als Florian noch klein gewesen war, hatte Irma die Krähen, die ihm auf der Jesuitenwiese zu nahe gekommen waren, verjagt; sie hatte Angst gehabt, die Vögel könnten ihn anfallen.
    Â«Daß die Frauen nichts merken», sagte Irma.
    Sie stand auf, um nach Florian zu sehen.

XXIII
    Ich wartete auf dem Largo degli Osci. Das öffentliche Telephon hinter dem Markt war abmontiert worden, es hingen nur mehr ein paar Kabel aus dem grauen Kasten. Die Überdachung wurde längst als Plakat- und Annoncenfläche genutzt. Nicht weit davon standen zwei blaue Container für Glasabfälle. Nylontaschen und Kartonschachteln mit Leergut waren auf dem Boden deponiert worden, weil nichts mehr in die Behälter paßte. Irgendwo tschilpte ein Vogel; es klang nach einem ordinären Spatz, aber vielleicht täuschte ich mich. Als Kind hatte ich das Flöten der Amseln vom Schmettern der Buchfinken genau unterscheiden können, ich war sogar in der Lage gewesen, Kontakt- oder Bettelrufe auseinanderzuhalten.
    Ich sah zur Kirche hinüber; neben dem Turm befand sich eine Tür. Ich ging näher hin.
Nachtglocke
stand auf dem Schild.
    Da hörte ich Rino nach mir rufen; er hob den Arm, als wolle er winken. Wir gingen langsam aufeinander zu. Gefiel er mir überhaupt? Er sieht seinem Onkel ähnlich, dachte ich. Als wäre Lucchis Wesen in Rinos ausgeprägten Gesichtszügen karikiert. Ich blieb stehen. Er umfing mich mit seinen Armen. In aller Öffentlichkeit. Mir fiel Vittorio ein. Was er wohl sagen würde, wenn er uns jetzt überraschte. Wen sähe er zuerst: Rino oder mich? Den unbekannten Mann oder seine Frau?
    Â«Was willst du machen», fragte Rino. Er hielt mein Handgelenk fest, daß es beinahe schmerzte.
    Eine junge Frau drehte sich nach uns um. Sie trug das Haar aufgetürmt, obwohl sie einen kleinen Kopf und einen langen Hals hatte. Vittorio treibt das Nicht-auffallen-Wollen auf die Spitze, dachte ich. Diese übertriebene Dezenz. Immer will er sich angleichen.
    Â«Also, wohin», sagte Rino.
    Ich zog die Achseln hoch, ging neben ihm her. An der Straßenecke spielte ein Mann Drehorgel; er hatte ein entstelltes Gesicht.
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war auf dem Karton zu lesen, den er sich umgehängt hatte.
    Rino entschuldigte sich für seine Wohnung; sie lag im ersten Stock, alle Fenster blickten in den Innenhof. In der Küche hingen Photographien, die römische Kinosäle aus den sechziger Jahren zeigten, als Cinecittà noch eine der großen Kinohauptstädte war.
    Â«Das ist leider auch zu», sagte Rino, als ich das
America
-Kino auf dem Photo näher betrachtete. «Früher stand an der Stelle ein Marionettentheater. Die Kuppel konnte man übrigens öffnen.» Er deutete mit dem Zeigefinger auf das Bild daneben. «Das
Archimede
kennst du, oder? Wunderbare Akustik.» Er drehte sich um und holte zwei Gläser vom Abtropfständer über der Spüle.
    Â«Ich glaube, ich verwechsle es mit einem anderen Kino», sagte ich.
    Der Terrazzoboden war an manchen Stellen aufgesprungen; es knirschte unter den Schuhen.
    Â«Ich habe
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