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Ueber die Wupper

Ueber die Wupper

Titel: Ueber die Wupper
Autoren: Edgar Noske
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aus?«
    Durch die mit Graffiti
überzogene Garderobentür drang erstickte Musik. Black
hole sun, won 't you come…
    »Ich hab schon
'ne Verabredung.« Chico stand von der Bank auf. »Und die
ist attraktiver als du, Theo.«
    »Sag bloß,
die kleine Blonde, die mit euch gekommen ist?« König
griente. »Ist die nicht ein bißchen jung für
dich?«
    Breit grinsend legte
Chico König den Arm um die Schultern. »Weißt du,
Theo, für jemand, der sich seine Gespielinnen auf dem Schulhof
angelt, ist die Frage einfach saublöd.«
    Königs gerade
wieder erblühtes Lächeln verwelkte von einer Sekunde auf
die andere. Energisch schüttelte er den Arm ab. »Was
wühlst du den alten Dreck wieder auf, hä? Ich bin damals
freigesprochen worden, einwandfrei. Du erinnerst dich, ja?« Er
schnaufte. »Außerdem war sie schon sechzehn. Nur eben
etwas zurückgeblieben. In der Schule, mein
ich.«
    Chico zwinkerte seinen
Freunden zu. »Na, dann habt ihr ja prima zusammengepaßt,
old man.«
    »Verarschen
solltet ihr mich nicht, Leute«, zischte König, straffte
sich und sah jetzt richtig böse aus. »Nicht einmal daran
denken solltet ihr.«
    Er ging zur Tür.
Die Klinke in der Hand, drehte er sich noch einmal um. »Wenn
ihr fertig gelacht habt, macht euch mal ein paar Gedanken über
eure finanzielle Lage. Wir sehen uns, meine
Herren.«      
 
… to wash away the
rain
    Die Tür fiel ins
Schloß, und die Heiterkeit der drei erstarb, als hätte
jemand den Stecker gezogen.
    »Wieviel schulden
wir ihm eigentlich?« fragte Chico.
    »Rund
fünfundzwanzigtausend«, sagte Curd und stieg in seine
Stiefel. »Abzüglich fünftausend
Rücklage.«
    Chicos Faust klatschte
in die Handfläche. »Macht genau zwanzig
zuviel.«
    Max sagte nichts. Den
anderen den Rücken zugewandt, nahm er seine uralte Lederjacke
vom Haken.
    Bevor er sie
übergezogen hatte, polterte es an der Tür.

3
    Die Tür schwang
auf. Ein kleiner Mittdreißiger mit Geheimratsecken und
fliehendem Kinn stand im Rahmen.
    »Herzlichen
Glückwunsch«, sagte er und strahlte, wobei er
überlange Eckzähne zeigte. »Ein sauberer
Gig.«
    »Ein Lob der
Fachpresse tut immer gut«, sagte Chico. »Komm rein,
Arno.«
    Arno trat ein, zog die
Motorradhandschuhe aus und gab jedem die Hand.
    »Wie wäre
es mit einem Autogramm, Mr. Fonda?« Curd zupfte an den
Fransen von Arnos Wildlederjacke. »Die Jacke zum Film Born to
be Arno. Was macht die Harley?«
    »Nächste
Woche wird sie entdrosselt, dann geht endlich die Post ab.«
Er zog ein Taschentuch aus der Hosentasche und wischte sich
über die Stirn. »Schwer warm hier. Du hast einen neuen
Baßverstärker, wie ich gesehen habe.«
    »Glockenklang«, sagte
Curd. »Ein geiles Teil. Haben wir heute nachmittag extra noch
in Köln geholt.«
    »Dann rollt ja
der Rubel«, sagte Arno und steckte das Taschentuch wieder
weg.
    Die V-förmige
Kerbe über Curds Nasenwurzel wurde eine Spur schärfer.
»Auf Kredit, Arno. Nur auf Kredit.«
    »Immerhin.« Arno
nickte. »Kommt gut.«
    »Schreibst du
was?« fragte Max.
    »Vielleicht ein
paar Zeilen fürs Lokale. Aber eure Tour bring ich ganz
groß.« Arnos Hände beschrieben das Format, das ihm
vorschwebte. »Überregional.«
    »Generalanzeiger?«
fragte Max.
    »Oder Rheinische
Post. Je nachdem, wer mehr zahlt.«
    »Ich zieh mal
los.« Chico warf einen Kontrollblick in den halbblinden
Spiegel neben der Tür und fuhr sich mit den Händen durch
die flachsblonden Strähnen. »Tanja wartet. Bis
später.«
    »Und wer
schleppt dein Ludwig zum Wagen?« fragte Max.
    »Mach ich
schon«, sagte Arno.
    »Aber paß
auf meine Schnückelchen auf«, rief Chico und zog die
Tür ins Schloß.
    »Worauf?«
fragte Arno.
    »Seine
Snare-Trommeln«, sagte Max. »Auf
geht's.«
    *
    Eine laue Nacht mit
dem typischen Spätsommergeruch des Bergischen. Reif, mit einer
Spur zuviel Herbst. Im Südwesten stiegen die letzten Raketen
des Kirmesfeuerwerks in den Himmel. Farbenfrohes Fanal für das
Ende des Sommers und den Beginn der botten Jahreszeit. Wie von
einem nur hier heimischen Instinkt getrieben, strömten die
Menschen an die Zapfhähne der Bierbuden und Kneipen, um sich
Zuversicht für die kommenden melancholischen Tage
anzutrinken.
    Der Blitz stand
unmittelbar an der ehemaligen Bahntrasse. Arno marschierte
vorneweg. Konzentriert, als seien die beiden Holzsnares mit Nitro
gefüllt. Mit etwas Abstand folgten Max und Curd. Beide schwer
bepackt. Sie hatten den Blitz fast erreicht, als ein Pfiff sie
stoppte. Chicos Silhouette winkte von der Ecke
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