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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern
Autoren: Robert Silverberg
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leichter sein würde, wenn diese zuverlässig mit einer unbegrenzten Trinkwasserversorgung rechnen konnten.
    Aber natürlich hatten die Gillies bisher noch durch nichts erkennen lassen, daß sie sich darüber Gedanken machten. Sie hatten noch nie besonderen Eifer bewiesen, dem Häuflein Menschen in ihrer Mitte irgendwelche Erleichterungen zu verschaffen. Trinkwasser war für Menschen lebensnotwendig, doch den Gillies konnte das piepsegal sein. Was Menschen möglicherweise brauchten, sich wünschten oder zu erhalten hoffen mochten, das berührte die Gillies nicht im geringsten. Und so war es denn die Vision gewesen, daß er - im Alleingang und durch seine Überzeugungskraft - das alles ändern könne, was Lawler in der verflossenen Nacht den Schlaf gekostet hatte.
    Aber - zum Teufel damit! Wer nichts wagt, kann nichts gewinnen.
    LAWLER WAR IN DER TROPENNACHT barfuß und trug nur einen gelben Sarong aus Wasserlattichfasern um die Hüften. Die Luft warm und schwer, die See ruhig. Die Insel - dieses Geflecht aus lebendem, halb-lebendem und ehemals lebendem Gewebe, das auf der Oberfläche des weltumspannenden weiten Ozeans dahintrieb - schwankte nahezu unmerklich in der Dünung unter seinen Füßen. Wie alle bewohnten Inseln auf Hydros war auch Sorve ein wurzelloser, frei wandernder Herumtreiber und zog überall dorthin, wo ihn die Strömungen, die Winde und die gelegentlichen Flutwellen hintreiben mochten. Lawler spürte, wie die dichtverflochtenen Ruten des Bodens unter seinen Schritten nachgaben und sich dehnten, und er hörte die See wenige Meter weiter unten klatschen. Aber seine Bewegungen waren leicht und mühelos, und sein langer schlanker Körper paßte sich automatisch dem schwankenden Rhythmus der Insel an. Es war für ihn etwas ganz Natürliches.
    Die milde Nacht war allerdings trügerisch. Fast das ganze Jahr hindurch war Sorve alles andere als ein angenehmer Aufenthaltsort. Das Klima wechselte zwischen Heißtrocken- und sanft Naßkalten-Perioden, dazwischen nur ein kurzes sanft-sommerliches Zwischenspiel, wenn Sorve in milden feuchten Äquatorialbreiten dahintrieb... die kurze Illusion eines angenehmen, leichten Lebens. Und das war sie jetzt, die ‚gute’ Zeit im Jahr. Es gab Nahrung im Überfluß, und die Lüfte wehten süß. Die Inselbewohner genossen es. Der Rest des Jahres bedeutete eher einen Kampf ums Überleben.
    Ohne Eile schritt Lawler um das Reservoir herum und über die Rampe zur Unterterrasse hinab. Von dort fiel die Insel sacht bis zum Ufer ab. Er kam an den verstreuten Gebäuden des Werftgeländes, von wo aus Nid Delagard sein maritimes Imperium regierte, und an dem Gewirr unbestimmt kugeliger Strukturen der Hafenfabriken, in denen Metall - Nickel, Eisen, Kobalt, Vanadium, Zinn - aus dem Gewebe von niederen Seegeschöpfen vermittels langsamer und ineffizienter Prozesse gewonnen wurde. Zwar konnte man kaum etwas deutlich sehen, doch nach vierzig Jahren auf dieser einen kleinen Insel bereitete es Lawler keinerlei Schwierigkeiten, sich auch im Dunkeln überall zurechtzufinden.
    Der große zweigeschossige Schuppen, in dem das Kraftwerk eingerichtet wurde, lag direkt rechts in geringer Entfernung vor ihm dicht am Gestade. Er strebte in diese Richtung.
    Noch war der Morgen nicht heraufgezogen. Das Firmament war noch tiefschwarz. In manchen Nächten funkelte Sunrise, der Bruderplanet von Hydros, wie ein großes blaugrünes Auge im Himmel, doch in dieser Nacht stand Sunrise auf der anderen Seite des Planeten und verstrahlte sein helles Licht über die unerforschten Gewässer der anderen Hemisphäre. Allerdings, einer der drei Monde war sichtbar, als winziger scharfer weißer Lichtpunkt dicht über dem östlichen Horizont. Und natürlich schimmerten überall die Sterne, eine Kaskadenflut von glitzerndem Silberstaub, eine allumfassende Puderschicht von Helligkeit. Diese Myriaden Haufen ferner Sonnen bildeten einen sinnverwirrenden Hintergrund für die eine und einzige gewaltige Konstellation in der Nähe, das hellstrahlende Hydros-Kreuz - zwei flammende Sternketten, die einander rechtwinklig kreuzten, ein doppelter Lichtgürtel, einmal von Pol zu Pol, und der andere rund um den Äquator.
    Lawler sah in diesem Hydros-Kreuz seine heimatlichen Gestirne, denn es waren die einzigen Sterne, die er jemals zu Gesicht bekommen hatte. Er war ein echter Hydraner... in der Fünften Generation. Nie war er auf einem anderen Planeten gewesen und würde auch niemals einen besuchen. Und die Insel Sorve war ihm so
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