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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern
Autoren: Robert Silverberg
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Er würde seine Lobsprüche geschickt verflechten mit dem nachdrücklichen Hinweis, wie unabdingbar das Zusammenleben in Harmonie der beiden Rassen sei, verflechten und sich nach und nach zu dem klaren Vorschlag durcharbeiten, Hydraner und Menschen sollten doch nun endlich die frühere abweisende Kühle aufgeben und im Namen eines weiteren gemeinsamen technologischen Fortschritts an einem Strang ziehen. Er wollte den geheiligten Namen des geliebten verstorbenen Dr. Bernat Lawler so oft wie möglich erwähnen, wollte sie daran mahnen, wie dieser zu seinen Lebzeiten unermüdlich mit seiner erstaunlichen ärztlichen Kunst dem Wohl und der Gesundheit von Sassen und Menschen gleichermaßen gedient hatte, nicht wenige Wunderheilungen vollbracht hatte, sich selbstlos für beide Inselrassen aufopferte - er würde immer dicker auftragen, bis die Luft vor Gefühlsüberschwang bebte und die Gillies, von der neugewonnenen interrassischen Liebe zu Tränen gerührt, freudig auf Lawlers beiläufig gemachten Vorschlag einsteigen würden, daß es ein guter Anfang wäre, wenn man die Neue Ära damit eröffnen würde, daß die Sassen den Menschen die Möglichkeit einräumten, das neue Kraftwerk so umzurüsten, daß es neben Elektrizität auch Trinkwasser produzieren könne. Und danach dann sein fundamentaler Vorschlag: Die Menschen würden die Meerwasser-Entsalzungs-Fabrik eigenständig entwerfen und errichten, den Kondensator, die Transportpipelines, kurz, das gesamte System... und es dann ganz in die Hände der Gillies übergeben... Hier habt ihr es, ihr braucht es nur anzuschließen. Es kostet euch gar nichts, und wir werden in Zukunft nicht länger auf das in den Zisternen gesammelte Regenwasser angewiesen sein. Und so werden wir fürderhin und in alle Zukunft die besten Freunde sein, ihr Sassen und wir Menschen...
    Dies war die Phantasievorstellung, durch die Lawler aus seinem Schlaf gerissen worden war. In der Regel neigte er keineswegs dazu, sich auf derart realitätsferne Unternehmungen einzulassen. Seine jahrelange Praxis als Arzt - und auch wenn er nicht ein medizinisches Genie war wie sein Vater, so war er doch ein hart arbeitender und einigermaßen erfolgreicher Allgemeinpraktiker und leistete unter den gegebenen Umständen ziemlich viel - hatte ihn zum Realismus erzogen und zu einer recht pragmatischen Einstellung gegenüber fast allen Dingen. Dennoch war er in dieser Nacht irgendwie zu der Überzeugung gelangt, daß er das einzige Wesen auf der Insel sei, dem es möglicherweise gelingen konnte, diese Gillies, diese ‚Kiemlinge’, zu überreden, die Angliederung einer Meerwasser-Entsalzungsanlage an ihr Kraftwerk zu erlauben, Ja, er würde erfolgreich sein, wo alle anderen versagt hatten.
    Eine recht kleine Chance, das wußte er. Doch in den frühen Morgenstunden neigen Chancen manchmal dazu, üppiger auszusehen als im klaren Licht des Vormittags.
    Was es auf der Insel bislang an Elektrizität gab, stammte aus unhandlichen, wenig effizienten Chemobatterien, aus Säulen von Zinupfer-Scheiben, getrennt durch in Sole getränkte Streifen aus Kriechkraut. Die Gillies - die ‚Kiemlinge’, ‚Sassen’, also die Hydraner, die dominante Spezies auf der Insel, beziehungsweise der Welt, auf der Lawler sein ganzes Leben zugebracht hatte - arbeiteten schon, soweit er sich erinnern konnte, an einer verbesserten Methode der Gewinnung von Elektroenergie, und nun endlich, so wenigstens dampfte es aus der Gerüchteküche im Ort, stand das neue E-Werk kurz vor der Fertigstellung und sollte ans Netz gehen heute oder morgen, aber ganz bestimmt nächste Woche! Und wenn den Gillies dies tatsächlich gelingen sollte, bedeutete das für beide Rassen eine einschneidende Veränderung. Die Kiemlinge hatten sich auch schon (allerdings wenig begeistert) bereit erklärt, den Menschen einen Teil der neuen Elektrizität zur Nutzung abzugeben, was nach jedermanns Ansicht grandios von ihnen war. Noch viel großartiger aber wäre es, jedenfalls für die achtundsiebzig Menschen, die auf der kleinen engen Insel Sorve ein karges Leben von minderer Qualität fristeten, wenn die Gillies sich erweichen ließen und den Menschen gestatteten, daß ihre Fabrik auch zur Wasserentsalzung benutzt werde, damit die Menschen nicht weiter auf die gnädige Willkür der sorvesischen Regenfälle angewiesen wären, was die Trinkwasserversorgung anging. Es mußte schließlich auch den Kiemlingen einleuchten, daß für ihre menschlichen Metöken das Dasein unendlich viel
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