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Über Boxen

Über Boxen

Titel: Über Boxen
Autoren: Joyce Carol Oates
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einer Zeit, in der sogar eine Außenseitergestalt wie Sonny Liston neu bewertet wird, verdient Johnson solche Beachtung.
    Auf jeden Fall ist «Unforgivable Blackness» eine bemerkenswerte Leistung. Geoffrey Ward zeichnet ein äußerst überzeugendes und häufig herzzerreißendes Porträt von Jack Johnson, «dem Mann mit dem goldenen Lächeln», der am treffendsten durch einen Januskopf dargestellt werden könnte, mit einem lachenden und einem weinenden Antlitz.
    * In eckige Klammern gesetzte Abschnitte dieses Essays stehen im Original als Anmerkungen am Schluss des Textes.

DER RÄCHER:
    JOE LOUIS GEGEN MAX SCHMELING
    Boxen ist der erbarmungsloseste Sport, aber es kann auch der verblüffendste, theatralischste und symbolträchtigste sein. Wo Rasse und Nationalismus im Spiel sind, wie in den berühmten Kämpfen der beiden Schwergewichtler Joe Louis und Max Schmeling 1936 und 1938 , die zu den aufsehenerregendsten der Geschichte gehören, kann der symbolhafte Aspekt gigantische Dimensionen annehmen.
    Als im zweiten Kampf im Juni 1938 der vierundzwanzigjährige amerikanische schwarze Champion Louis im Yankee-Stadion gegen den zweiunddreißigjährigen Schmeling antrat, den Vorzeigeathleten der Nazis, war dies nicht nur ein Wettkampf zwischen zwei hochqualifizierten Sportlern, sondern auch zwischen den Vereinigten Staaten und Nazideutschland. Fast siebzigtausend Zuschauer im Stadion und geschätzte hundert Millionen Radiohörer in aller Welt verfolgten den Kampf, «das größte Publikum, das jemals einem historischen Ereignis beigewohnt hatte».
    David Margolick, Verfasser so unterschiedlicher Sachbücher wie «Strange Fruit: The Biography of a Song» (2001), «At the Bar: The Passions and Peccadilloes of American Lawyers» (1995)und «Undue Influence: The Epic Battle Over the Johnson and Johnson Fortune» (1993), hat sicherlich einen schweren Stand, wenn er von einem so sattsam bekannten Sportereignis erzählt. Die Kämpfe Louis gegen Schmeling mit ihrer außerordentlich großen politischen und kulturellen Bedeutung sind öfter analysiert worden als jeder andere Boxkampf in der Geschichte; die beiden Kämpfe gehören zum Standardrepertoire von ESPN Classic 1 ; es gibt Fernsehdokumentationen über Louis und Schmeling als jeweilige Idole ihrer Länder in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg, die unvermeidlich dasselbe historische Material verwenden. Besonders ergreifend und engagiert hat sich in jüngerer Zeit Donald McRae mit der Rolle von Joe Louis im großen politischen Welttheater beschäftigt: «Heroes Without a Country: America’s Betrayal of Joe Louis and Jesse Owens» (2003).
    Margolick ist es in «Max Schmeling und Joe Louis» 2 gelungen, den Konkurrenzkampf zwischen Louis und Schmeling mit ausgiebig recherchiertem Hintergrundmaterial zu versehen und dabei zwei einfühlsame Porträts zu zeichnen; er setzt sich mit dem Rassismus in den USA und dem Antisemitismus in Deutschland auseinander; er wirft einen Blick auf die wichtige Rolle der Juden im US -Profiboxen und spickt seinen Text mit Äußerungen von Boxexperten, Sportreportern, Prominenten und ganz normalen anonymen Bürgern, einfach jeder Aussage über Louis oder Schmeling, die ihren Weg in ein Druckerzeugnis gefunden hat, ob nun zu Recht oder nicht. Margolicks «Max Schmeling und Joe Louis» ist keine Kulturkritik wie sein gekonnt konzentriertes «Strange Fruit», sondern eine historische Reportage, ein Schwergewicht von einem Buch, vermutlich die maßgebliche Chronik dieses Themas.
    «Zu gut, um wahr zu sein, und absolut wahrhaftig … die wundervollste Kampfmaschine, die ich je gesehen habe», lautete Ernest Hemingways berühmter Satz über Joe Louis nach dem brutalen Sieg des Einundzwanzigjährigen über den ehemaligen Schwergewichtschampion Max Baer 1935. Louis charakteristischer Kampfstil und sein höflich-ausdrucksloses Auftreten in der Öffentlichkeit, das ihm seine gewieften Manager anerzogen hatten, erweckten den Eindruck einer roboterhaften, scheinbar emotionslosen und umso tödlicheren Präzision. «Joe Louis war kein geborener Killer», erklärte Louis’ Trainer. «Er musste erst zu einem gemacht werden.» In beiden so unterschiedlich endenden Kämpfen – im ersten Kampf wurde Louis von Schmeling in der zwölften Runde auf schmachvolle Weise ausgeknockt, im Rückkampf schlug Louis Schmeling in einer spektakulären boxerischen Meisterleistung in der ersten Runde k . o. – beeindruckte das junge schwarze Schwergewicht nicht nur durch die
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