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Turm-Fraeulein

Titel: Turm-Fraeulein
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gebieten.
     
    Noch immer hatte er keine Lösung für sein Problem gefunden. Er sah Ivy sogar, wie sie sich in Richtung Dolphs Zimmer bewegte, und wußte, daß er etwas tun mußte – doch ohne zuzugeben, was er erfahren hatte. Also tat er so, als liefe er ihr ganz zufällig über den Weg und fing sie im Gang ab. »Was hast du denn vor, Kindchen?«
    »Hau ab, du kleiner Schnüffler«, sagte sie freundlich.
    »Na schön… dann spiele ich eben mit Dolph.«
    »Wage es nicht!« sagte sie zornig. »Mit dem werde ich spielen.«
    »Wir können doch beide mit ihm spielen«, schlug Grundy vor. Dagegen konnte sie nicht allzu viel einwenden, weil sie ihr Geheimnis nicht durch allzu große Beharrlichkeit preisgeben wollte.
    Dolph war schon angezogen und bereit zum Spielen. Er war ein hübscher kleiner Junge mit lockigem, braunem Haar und einem riesigen Lächeln. »Schau mal… ich bin ein Vogel!« rief er, und plötzlich war er tatsächlich ein Vogel, ein hübscher Vogel mit roten und grünen Federn.
    Selbstzufrieden verwandelte er sich wieder zurück.
    »Kann ich nun hinaus und fliegen?« fragte er.
    »Warum willst du denn fliegen?« fragte Grundy in gespielter Unschuld.
    »Will er gar nicht«, warf Ivy hastig ein.
    Doch Dolph war gerade dabei, auf Grundys Frage zu antworten. »Ich werde nämlich einen Drachen fangen!« sagte er stolz.
    »Nein, das tut er nicht!« rief Ivy.
    »Das ist aber sehr gut, Dolph«, meinte Grundy. »Was für einen Drachen denn?«
    »Gar keinen Drachen«, versetzte Ivy.
    »Stanley Dampfer«, sagte Dolph. »Er hat sich verlaufen.«
    Wie überrascht wandte Grundy sich an Ivy. »Wovon redet er denn da? Du weißt doch, daß er nicht allein hinaus darf.«
    »Ich habe dir gesagt, du sollst nicht herumschnüffeln!« erwiderte Ivy außer sich vor Wut. »Das geht dich überhaupt nichts an!«
    »Aber du kannst Dolph doch unmöglich hinausschicken! Wenn ihm irgend etwas zustoßen sollte, würde dein Vater die Mauern von Schloß Roogna befragen, wer ihn auf die Idee gebracht hat, und dann würde deine Mutter…«
    Schützend legte Ivy beide Hände auf ihren Hintern, genau wissend, wo der Zorn ihrer Mutter zuschlagen würde. »Aber ich muß Stanley doch unbedingt retten!« heulte sie. »Er ist doch mein Hausdrache!«
    »Aber es weiß doch niemand, wo er sich aufhält«, wandte Grundy ein. »Oder ob er vielleicht sogar…« Er mußte abbrechen, denn es wäre nicht klug gewesen, in Ivys Gegenwart das schreckliche Wort auszusprechen.
    Stanley war verschwunden, als er durch ein Unglück von einem Vertreibungszauber für Ungeheuer erwischt worden war. Natürlich war er gar kein Ungeheuer, sondern ein Haustier, aber der Zauber konnte nicht zwischen verschiedenen Drachenarten unterscheiden.
    Ivy hatte dem Guten Magier Humfrey ständig in den Ohren gelegen, um herauszubekommen, wo Stanley sich befand, doch in Xanth gab es derart viele Drachen, daß Humfreys Zauber es nicht vermocht hatten, Stanley zu orten. Zumindest behauptete Humfrey das. Humfrey war jünger als früher, und wahrscheinlich war seine Magie lediglich nicht auf der Höhe, doch das gab er natürlich nicht zu.
    »Irgendwie werde ich ihn finden«, meinte Ivy resolut. »Schließlich ist er mein Drache.«
    In gewisser Weise hatte sie nicht Unrecht. Niemand konnte einen Drachen halten, es sei denn, dieser Drache wollte gehalten werden, und was Stanley gehalten hatte, war die Freundschaft gewesen. Ivy hatte in ihm ihren Freund und ihr Haustier gesehen, und ihre mächtige und subtile Magie hatte ihn auch dazu gemacht. Grundy war sicher, Stanley wäre zu ihr zurückgekehrt, hätte er gekonnt. Die Tatsache, daß er nicht zurückgekehrt war, ließ vermuten, daß er tot war.
    Ivy wiederum würde die Suche nicht aufgeben. Grundy kannte sie gut genug, um sich darüber keine Illusionen zu machen. Doch wenn man sie nicht davon abbrachte, mußte sie und ihre ganze Familie am Ende wahrscheinlich noch sehr viel Schlimmeres erleiden als den Verlust eines einzigen kleinen Drachens – beispielsweise den Verlust eines kleinen Bruders. Ivy war zwar eine Zauberin, aber auch ein Kind; es fehlte ihr an der Urteilsfähigkeit der Erwachsenen.
    Grundy konnte sie weder verpetzen noch konnte er es zulassen, daß sie mit ihrem törichten Vorhaben fortfuhr. Was sollte er tun?
    Da kam ihm der Gedanke, daß es einen vortrefflichen Ausweg aus diesem Dilemma gab – einen Ausweg, der ihm möglicherweise auch eben jene Anerkennung verschaffen würde, nach der er sich sehnte. »Ich werde ihn
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