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Turm der Lügen

Turm der Lügen

Titel: Turm der Lügen
Autoren: Marie Cristen
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Sonnenaufgang geöffnet. Die Frage ist allerdings, ob wir irgendwo einen warmen Platz finden, wo wir bis dahin allein sein können.«
    »Ich kenne einen.« Julien kratzte sich verlegen unter seiner federgeschmückten Kappe. »Allerdings ist er einem Ritter und seiner Dame kaum angemessen.«
    »Wir nehmen, was wir kriegen können«, sagten sie wie aus einem Munde und lachten zum ersten Mal wirklich unbeschwert.
    Julien führte sie zu einem Pferdestall in der Nähe des Flusses, der versteckt hinter der Werkstatt eines Hufschmieds lag. Der Dunst der Tiere wärmte die Behausung, die außer ihnen noch niemand entdeckt hatte. Der Knappe verschwand umgehend. Die Strohvorräte hinter den Futterraufen boten ihnen ein ungestörtes Nachtlager.
    »Mein Gott, ich kann mein Glück noch gar nicht fassen«, jubelte Séverine. Sie drehte sich mit ausgebreiteten Armen einmal um sich selbst. »Hier fühle ich mich schon fast wie in Faucheville. Der Stall, das Stroh, die Pferde, alles riecht wie zu Hause. Mein Körper beginnt, wieder zu leben. Meine Sinne werden wieder froh. In der letzten Zeit war ich oft ganz verzweifelt. Ich dachte, Faucheville würde für immer ein Traum bleiben.«
    Adrien gefiel ihr Überschwang. Das war die Séverine, die er kannte.
    »Wenn das Wetter mitspielt, können wir in einer Woche in Faucheville sein. Sie werden Augen machen, wenn sie die neue Herrin sehen. Fühlst du dich stark genug für dein neues Leben?«
    »Das fragst du Mahauts Tochter?«
    Adrien fiel in ihr Lachen ein. Er zog sie besitzergreifend an sich.
    »Mahauts Tochter ist jetzt die Herrin von Faucheville. Die Baronin Flavy, meine geliebte Frau, meine Freundin, mein Leben.«
    Ihre Lippen fanden sich zum Kuss. Sie ließen sich in das Stroh fallen und vergaßen ihre Umwelt.
    Sie waren Mann und Frau.
    * * *
    Mahaut von Artois stand am Fenster des prächtigen Bürgerhauses, das sie für sich und ihr Gefolge in Reims gemietet hatte. Sie fand keinen Schlaf, obwohl ihr Köper nach Ruhe verlangte. Ihre rastlosen Gedanken hielten sie wach.
    Heute hatte ihre jüngste Tochter mit Bestimmtheit ihr Leben in die Hand genommen und sie verlassen. Morgen würde ihre älteste Tochter in der Kathedrale zur Königin von Frankreich gesalbt.
    Sie ahnte, dass sie beide für immer verloren hatte, doch es erfüllte sie auch mit Stolz, ihre Mutter zu sein.

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Anhang
    Personenverzeichnis
    Mahaut, Gräfin von Artois
    Als einzige Tochter des Grafen Robert  II . von Artois um 1270 geboren, wird sie 1285 mit Othon von Burgund verheiratet. Sie schenkt ihm zwei Töchter – Jeanne und Blanche – sowie zwei Söhne: Jean, der als Säugling stirbt, und Robert ( 1300  – 1315 ). Ihr korrekter Titel ist Gräfin von Artois und Burgund, Herrin von Salins und Pair von Frankreich. Im Jahr 1329 stirbt sie in Paris. Die Todesursache bleibt ungeklärt, Gerüchte sprechen von Gift. Sie hat die Königslinie der Kapetinger ebenso überlebt wie die vergeblichen Prozesse ihres Neffen Artois um sein rechtmäßiges Erbe.
    Mahaut (auch Mathilde genannt) gilt als eine der schillerndsten Frauenfiguren der Geschichte Frankreichs. Keines der ihr angelasteten Vergehen kann ihr wirklich nachgewiesen werden. Die heutige Geschichtsforschung geht davon aus, dass sie sich in erster Linie durch Herrschsucht, Machthunger und rücksichtsloses Auftreten unbeliebt gemacht hat. Es gibt keine ernstzunehmenden Beweise, dass sie beim Tod des Zänkers oder dem des Jean Posthumus ihre Finger im Spiel gehabt haben könnte.
    Robert  III . von Artois
    Als 1302 der Großvater des 15 -jährigen Robert stirbt, stellt seine Tante, Mahaut von Artois, die Behauptung auf, dass seine ebenfalls verstorbenen Eltern, Philippe von Artois und Blanche von Bretagne, niemals geheiratet haben. Mahaut eignet sich auf diese Weise das Erbe des Jungen an und schafft sich einen Todfeind.
    In zahllosen Intrigen und Prozessen kämpft Robert von Artois danach vergeblich um sein Erbe. Man sagt ihm nach, dass er großen Anteil an der Aufdeckung des Skandals um die drei Schwiegertöchter Philippes des Schönen hat. Als er schließlich mit gefälschten Dokumenten sein Recht zu erzwingen versucht, muss er aus Frankreich fliehen, um der Hinrichtung zu entgehen. Seine Besitztümer werden beschlagnahmt. In England findet er bei Königin Isabelle Zuflucht. Er gilt als treibende Kraft für die Anspüche Isabelles, die den Thron Frankreichs für ihren Sohn fordert, nachdem ihre Brüder verstorben sind.
    Blanche von Burgund, Gräfin von
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