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Turm der Lügen

Turm der Lügen

Titel: Turm der Lügen
Autoren: Marie Cristen
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Tribüne.
    »Majestät!«
    Die Gestalt eines Mönchs im schlichten braunen Habit, die Kapuze tief in die Stirn gezogen, trat in ihren Weg.
    Philippe schien auf ihn gewartet zu haben. Sie sprachen leise miteinander, ehe sich der König an seine Begleitung wandte.
    »Wartet hier auf mich. Ich kehre gleich zurück. Ich habe meinen Beichtvater gebeten, für mich und meine Familie eine kurze Andacht in der Chorkapelle zu halten. Flavy, Ihr kommt mit.«
    Adrien war sich der fragenden Blicke bewusst, die diese Auszeichnung nach sich zog. Allein die Königin und Mahaut gingen mit ihnen. Der Mönch schritt mit erhobener Fackel voraus. Mit dem Bau der Basilika hatte man vor hundert Jahren begonnen. Sie war immer noch nicht ganz fertiggestellt, aber schon jetzt rühmte man ihre formvollendete Schönheit.
    Der Kranz der Kapellen, in den Chorumgang eingefügt, war von wenigen flackernden Kerzen erhellt. Nur in der Stirnkapelle, direkt hinter dem Altar, leuchtete mehr Licht. Eine kleine Gruppe von Personen wartete hier auf den König und seine Begleiter. Adrien erkannte überrascht seinen Knappen Julien, den er eher in irgendeiner Schenke vermutet hätte. Aber auch eine Frau. Séverine.
    Der Mönch reichte die Fackel an Julien weiter, ehe er vor dem Altar das Knie beugte.
    Philippe drehte sich zu Adrien um und sah ihn bedeutungsvoll an.
    »Es liegt allein an dir, welchen Segen wir hier erbitten, mein Freund. Ich entlasse dich vor dem Allmächtigen aus meinen Diensten und gewähre dir die Freiheit, deiner Wege zu gehen. Gott schütze dich.«
    Adrien meisterte seine Überraschung blitzartig. Philippe hatte kaum ausgesprochen, als er schon vor Mahaut auf ein Knie sank.
    »Gebt mir Séverine zur Frau.«
    Keine Bitte, eine Forderung.
    Mahaut betrachtete ihn stumm. Adrien fühlte, dass er geprüft und bewertet wurde. Wie fiel das Urteil aus? Mahauts Miene gab ihm keinen Anhaltspunkt. Erst als sie sich zu Séverine umwandte, stand ein eigenartiges Lächeln in ihren Mundwinkeln.
    »Die Entscheidung liegt bei dir, meine Tochter. Es steht mir nicht zu, über dein Leben zu verfügen. Das habe ich aus unserem letzten Gespräch gelernt. Dieses Recht habe ich verwirkt.«
    »Werdet Ihr Euch aus unserem Leben heraushalten?«
    Séverines Stimme klang heiser vor Anspannung. Sie war auf Philippes Befehl hier. Bis zuletzt hatte sie sich gefragt, ob sie tatsächlich gehorchen sollte oder nicht. Adriens Kniefall erlöste sie aus allen Zweifeln. Er zürnte ihr nicht, dass sie sich für ihre Mutter eingesetzt hatte. Eine Liebe wie die ihre ertrug sogar Mahaut!
    Beide Frauen maßen sich mit stummen Blicken. Adrien verfolgte das Duell mit zunehmender Verblüffung. Philippe lächelte. Mahaut hatte offensichtlich ihre Meisterin in der eigenen Tochter gefunden.
    »Werdet Ihr? Gelobt Ihr das?« Séverine brach das Schweigen herausfordernd.
    »Dieses Versprechen gebe ich dir und möchte dir damit meine Reue zeigen«, antwortete Mahaut ungewohnt sanft.
    Séverine reichte Adrien die Hand. Er ergriff sie und erhob sich, um ihr in die Augen sehen zu können. Es bedurfte keiner Worte zwischen ihnen. Ihrer Liebe bewusst, traten sie gemeinsam vor den Altar, wo Pater Philémon auf sie wartete.
    Die Zeremonie war kurz, der Abschied danach ebenso.
    Jeanne und Séverine umarmten sich heftig. Sie unterdrückten beide die Tränen. Nun trennten sich ihre Wege wieder.
    Der König reichte Adrien die Hand. Ein letzter Gruß unter Gleichgesinnten.
    »Ich wünsche dir Glück, wenngleich ich nicht verhehle, dass es mich reut, dir mein Wort so leichtsinnig gegeben zu haben.«
    Ihr Händedruck dauerte an. Weder Mahauts polternde Glückwünsche noch Jeannes freundliche Worte oder Pater Philémons frommer Segen erreichten sie.
    Letztendlich drängte Jeanne zur Eile. Man erwartete sie und Philippe.
    Adrien und Séverine verließen die Kathedrale durch den Seiteneingang.
    * * *
    »Träume ich?«, fragte Séverine, als sich die Pforte hinter ihnen schloss, Adrien leise.
    Er hielt ihr die Pergamentrolle hin, die er als Letztes von Philippe erhalten hatte. »Dies ist die Urkunde, die bestätigt, dass wir Mann und Frau sind. Nichts hält uns mehr in dieser Stadt. Wir können uns auf den Heimweg machen. Oder möchtest du gerne der Krönung beiwohnen?«
    »So wenig, wie ich Mahauts Ehrendame sein will«, entgegnete Séverine erleichtert. »Julien weiß, wo meine Habseligkeiten sind. Reiten wir gleich.«
    »Ein bisschen Geduld musst du noch aufbringen. Die Stadttore werden erst bei
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