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Türkisches Gambit

Türkisches Gambit

Titel: Türkisches Gambit
Autoren: B Akunin
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Gesicht, seinen Spitzbart à la Louis Napoleon und den aufgezwirbelten weizenblonden Schnauzbart) zog die Zügel an, saß reglos und hatte plötzlich, woher auch immer, eine langläufige Pistole in der Hand. Die spuckte – deng! deng! – zwei ärgerliche Wölkchen aus, der Bek mit dem zerrissenen Beschmet wankte im Sattel wie betrunken und sank zur Seite. Einer der Baschi-Bosuks fing ihn auf, warf ihn über den Widerist seines Pferdes, und dann zog sich der Haufen kampflos zurück.
    Vorbei an Warja und dem müde auf sein nutzloses Gewehr gestützten Fandorin ritten in einer Reihe der Kunstschütze, der Reiter in der weißen Montur mit der goldblitzenden Generalsepaulette und die Kosaken mit den hochragenden Lanzen.
    »Die haben einen gefangenen Offizier!« rief ihnen Fandorin hinterher.
    Derweil kam der letzte Mann der Kavalkade, der Herr in Zivil, gemächlich angeritten und hielt bei ihnen. Die Verfolgungsjagd schien ihn nicht zu interessieren.
    Runde helle Augen blickten über die Brille hinweg teilnahmsvoll auf die Geretteten.
    »Tschetniks?« fragte der Zivilist mit englischem Akzent.
    »No, Sir«, antwortete Fandorin und fügte noch etwas in derselben Sprache hinzu, aber Warja verstand es nicht, sie hatte am Gymnasium nur Französisch und Deutsch gelernt.
    Sie zupfte Fandorin ungeduldig am Ärmel, und der erläuterte schuldbewußt: »Ich s-sage, wir sind keine Tschetniks, sondern Russen, und wollen zu den Unseren.«
    »Was sind Tschetniks?«
    »Bulgarische Aufständische.«
    »Oh, Sie Dame?« Das gutmütige fleischige Gesicht des Engländers zeigte Verwunderung. »Aber was für eine Maskerade! Ich wußte nicht, daß Russen Frauen für Espionage benutzen. Sie sind eine Heroine, Madam. Wie ist Ihr Name? Das wird sehr interesting für meine Leser.«
    Er entnahm seiner Reisetasche ein Notizbuch, und Warja sah erst jetzt seine dreifarbige Armbinde mit der Zahl 48 und der Schrift »Presse«.
    »Ich heiße Warwara Andrejewna Suworowa und beteilige mich an keiner ›Espionage‹. Mein Bräutigam ist beim Stab«,sagte sie würdevoll. »Und das ist mein Begleiter, der serbische Freiwillige Erast Petrowitsch Fandorin.«
    Der Pressemann lüpfte verwirrt die Melone und sprach nun französisch.
    »Bitte um Vergebung, Mademoiselle. James MacLaughlin, Mitarbeiter der Londoner Zeitung ›Daily Post‹.«
    »Dann sind Sie der Engländer, der über die türkischen Greuel in Bulgarien geschrieben hat?« fragte Warja, nahm die Schapka ab und ordnete die Haare, so gut es ging.
    »Ich bin Ire«, korrigierte MacLaughlin streng. »Das ist keineswegs dasselbe.«
    »Und wer sind die?« Warja nickte in die Richtung, wo Staub wölkte und Schüsse knallten. »Der mit dem Hut, wer ist das?«
    »Dieser unvergleichliche Cowboy ist Monsieur d’Hévrais, er schreibt eine brillante Feder, ist der Liebling der französischen Leser und das Trumpf-As der Zeitung ›Revue Parisienne‹.«
    »›Revue Parisienne‹?«
    »Ja, das ist eine Pariser Tageszeitung. Auflage hundertfünfzigtausend, das ist für Frankreich unwahrscheinlich viel«, erklärte der Journalist geringschätzig. »Meine ›Daily Post‹ dagegen verkauft täglich zweihundertvierzigtausend Exemplare, so ist das.«
    Warja schüttelte den Kopf, damit das Haar lockerer fiel, und wischte mit dem Ärmel den Staub aus dem Gesicht.
    »Ach, mein Herr, Sie sind gerade zur rechten Zeit gekommen. Die Vorsehung hat Sie geschickt.«
    »Uns hat Sobolew hierher mitgenommen«, sagte der Engländer, genauer, der Ire achselzuckend. »Er langweilt sich beim Stab und ist von der Untätigkeit schon ganz zermürbt. Heute früh hatten die Baschi-Bosuks im russischen Hinterlandihr Unwesen getrieben, und Sobolew persönlich hat die Verfolgung aufgenommen. d’Hévrais und ich sind sozusagen seine Schoßhündchen und müssen überallhin mit. Erstens sind wir alte Freunde, schon von Turkestan her, und zweitens, wo Michel Sobolew ist, findet sich ganz sicher eine gute Story. Aber da kommen sie ja, und natürlich mit leeren Händen.«
    »Wieso natürlich?« fragte Warja.
    Der Pressemann lächelte nachsichtig und sagte nichts, für ihn antwortete Fandorin, der sich bisher kaum am Gespräch beteiligt hatte: »Sie haben doch gesehen, Mademoiselle, daß die Baschi-Bosuks f-frische Pferde hatten und die der Verfolger erschöpft waren.«
    »Absolutely so.« MacLaughlin nickte.
    Warja warf einen mürrischen Seitenblick auf die beiden: Siehe da, was für eine Übereinstimmung, um eine Frau als dumme Gans dastehen zu
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